Im Gegensatz etwa zu Planungs-Simulationen, Puzzlespielen oder Games wie «Gehirnjogging» haben sogenannte First- und Third-Person-Shooter gute Voraussetzungen, unsere neuronale Plastizität zu verbessern. Ausgerechnet jene Schiess-Spiele also, die aufgrund von Gewaltdarstellungen oft kritisiert werden.
Ein Genfer Forschungsteam hat nachgewiesen, dass Spielerinnen und Spieler solcher Games eine bessere Aufmerksamkeitsspanne haben als Nicht-Gamer. Sie können aber auch besser auf visuelle Details fokussieren und haben eine erhöhte Kontrastempfindlichkeit. Das kann zum Beispiel beim Autofahren im Nebel helfen.
Ausserdem können Action-Gamer besser dreidimensionale Objekte in Gedanken drehen, zwischen unterschiedlichen Aufgaben hin und her wechseln und auf Ereignisse reagieren, die sich plötzlich entwickeln. In stressigen Situationen können sie ausserdem bis zu zehn Prozent schneller eine Entscheidung treffen und damit nicht nur schneller, sondern auch effizienter arbeiten.
Nicht alle Games sind gleich
Damit diese Effekte zum Tragen kommen, müssen Videospiele allerdings eine ganze Reihe von Bedingungen erfüllen. Diese treffen vor allem – aber nicht ausschliesslich – auf Action-Spiele zu:
- Die Spiele müssen bei den Spielerinnen und Spielern einen Zeitdruck auslösen. Dabei kommt es darauf an, dass sich die Spielenden unter Druck fühlen – was aber nicht zwingend bedeutet, dass ein Spiel auch schnell sein muss.
- Die Spiele verlangen von den Spielenden, dass sie ihre Aufmerksamkeit über den ganzen Bildschirm verteilen.
- Die Spiele fordern das Hirn heraus, indem sie ständig von einem verlangen, die Aufmerksamkeit neu zu bündeln und zwischen verschiedenen Aufgaben schnell hin und her zu wechseln, beispielsweise beim Zielen.
Gewalt-Darstellungen gehören bei vielen solcher Shooter-Games zur Tagesordnung. Sie sind jedoch kein ausschlaggebendes Kriterium, um von den oben genannten positiven Effekten zu profitieren. Die Studie lässt die Frage offen, ob Gewalt diese positiven Effekte noch verstärken kann.
Wie reagieren Kinder auf Shooter-Games?
Eine Versuchsanordnung, die Kinder regelmässig Shooter-Games spielen liesse, wäre unethisch, sagt Daphne Bavelier von der Universität Genf. Deshalb gebe es auch keine solchen Studien. Um trotzdem an Daten zu gelangen, hat die Neurowissenschaftlerin eine Studie durchgeführt, bei der Schüler und Schülerinnen sowie deren Eltern gefragt wurden, was die Kinder spielen.
Dabei hat sich gezeigt, dass die Eltern über den Spielekonsum ihrer Kinder oft nicht Bescheid wissen und sich nur selten mit dem Thema beschäftigen.
Die Studie zeigt aber auch, dass Kinder, die First- oder Second-Person-Shooter-Games spielen, über eine erhöhte Fähigkeit verfügen, ihre Aufmerksamkeit zu steuern. Das heisst, sie können sich besser auf das fokussieren, was im Moment gerade wichtig ist – immer unter der Voraussetzung, dass es sich um eine für die Kinder herausfordernde Aufgabe handelt.
Anerkennung für Pionierarbeit
Daphne Bavelier, die mit ihrem Team im Labor für kognitive Neurowissenschaften an der Universität in Genf forscht, erhält in diesen Tagen den Klaus J. Jacobs Research Prize 2019. Er ist mit einer Million Schweizer Franken dotiert. Es ist eine Anerkennung für ihre Forschung zur Frage, wie das Spielen von Shooter-Games die neuronalen Plastizität und das Lernen fördern kann.