Der 90-jährige Ernst Ostertag ist überzeugt: Dieses neue Alterszentrum in der Stadt Zürich sei eine sehr gute Sache. Seit sechzig Jahren setzt sich Ostertag für mehr Rechte für Schwule ein. Und schon lange kämpfte auch die sogenannte Queer-Community für eine solche Alterssiedlung.
Damit sich Homosexuelle nicht als Fremde fühlen
Homosexuelle oder Transgender-Menschen fühlten sich in einem normalen Alterszentrum einfach nicht wohl, sagt Ernst Ostertag. Denn die anderen Bewohnerinnen und Bewohner in Alterszentren hätten meist ein ganz anderes Leben geführt, mit Kindern. Homosexuelle würden sich in diesem Umfeld als Fremde fühlen, weil die Pflegenden und Mitbewohner oft sehr anders dächten, findet Ostertag.
Es braucht ein Umfeld, in dem sich Lesben und Schwule auch im Alter wohlfühlen können.
Der 90-Jährige erzählt von einem Bekannten, der in einer Alterssiedlung von einer Frau gepflegt werde, die sehr katholisch denke. Er spüre das in der Pflege. Darum brauche es ein Umfeld, in der sich Schwule und Lesben auch im Alter wohlfühlten, sagt Ernst Ostertag. Ein Umfeld, in dem sie sich von Anfang an «en famille» fühlen können.
Pioniersiedlung für die Stadt Zürich
Angestossen wurde das Projekt vom Verein «queerAltern». Die Stiftung Alterswohnungen der Stadt Zürich plant im Ersatzneubau der Siedlung Espenhof Nord in Albisrieden Wohn- und Lebensraum für ältere Angehörige der LGBTI-Gemeinschaft. Barbara Bosshard vom Verein «queerAltern» war sichtlich berührt bei der Präsentation des Projekts. Sie hat sich seit Jahren für eine solche Alterssiedlung eingesetzt. «Es war grandios zu sehen, dass unsere Anliegen angekommen sind», sagte Bosshard an der Medienkonferenz.
Kein Ghetto
Stadtrat Andreas Hauri ergänzte, dass der grösste Teil der geplanten Alterssiedlung für alle offen sein solle. Man wolle kein Ghetto schaffen, so der GLP-Stadtrat, der für die Alterswohnungen zuständig ist. Die Siedlung sei eingebettet in ein durchmischtes Quartier, in der es auch viele Familienwohnungen gebe. Geplant sind Wohnungen, in denen ältere Menschen selbstständig wohnen können. Wenn nötig, können sie später auch Unterstützung bekommen – bis hin zur Vollzeitpflege rund um die Uhr.
Ein Widerspruch bleibt
Dennoch bleibt ein Widerspruch: die Queer-Community kämpft dafür, von der Gesellschaft akzeptiert zu werden. Und gleichzeitig fordert sie ein eigenes Alterszentrum. Das stimmt, sagt Ernst Ostertag. Es gehe eben gerade im Alter darum, sich wohlzufühlen. Und für ihn wäre es genau das Richtige, sagt der 90-jährige, der immer noch in seiner eigenen Wohnung lebt. Er habe sofort gesagt: da gehe ich auch ihn.