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Atheist im Vatikan «Die katholische Kirche ist realitätsfremd»

Sandro Bucher hat eine ungewöhnliche Reise vor sich. Der 25-Jährige aus Ebikon LU fährt diesen Sonntag in den Vatikan. Ausgerechnet er, der überhaupt nicht an Gott glaubt. In Rom diskutiert er zusammen mit 300 anderen Jugendlichen aus der ganzen Welt eine Woche lang über die Zukunft der katholischen Kirche. Papst Franziskus hat zu diesem Treffen ausdrücklich auch kritische Katholiken und Atheisten eingeladen.

SRF News: Obwohl Sie nicht an Gott glauben, reisen Sie morgen auf Einladung des Papstes nach Rom. Wie passt das zusammen?

Sandro Bucher: Ich habe mich schon in der Kindheit intensiv mit Religionen auseinandergesetzt, insbesondere mit dem römisch-katholischen Christentum. Seit ich überzeugter Atheist bin, ist dieses Interesse nur gestiegen. Ich bin überzeugt davon, dass man sich mit einem Thema auseinandersetzen muss, bevor man es kritisiert. Deshalb ist mir auch der Austausch wichtig und nun bietet sich die ideale Gelegenheit, dies vor Ort zu tun.

Ich störe mich an der realitätsfremden und fortschrittsfeindlichen Haltung der Kirche.

Sie werden mit über 300 Jugendlichen aus der ganzen Welt über den katholischen Glauben diskutieren. Wie kann man sich das vorstellen?

Wir bereiten eine Botschaft vor und übergeben diese den Kardinälen, die sich im Oktober treffen, um über Jugend und Kirche zu diskutieren. Für diese Botschaft beantworten wir verschiedene Fragen. Zum Beispiel, weshalb es immer mehr Konfessionslose und Atheisten gibt und wie man diese wieder erreichen kann.

Welches Interesse haben Sie als Atheist, für die Kirche solche Fragen zu beantworten?

Ich sehe mich als Gegenpol, will einbringen, was die Kirche grundsätzlich ändern sollte. Ich störe mich daran, dass die katholische Kirche in gesellschaftlichen Debatten eine fortschrittsfeindliche und realitätsfremde Haltung einnimmt. Sei das bei der Abtreibungs-Politik, dem Zölibat oder der Gleichstellung von Frauen oder Homosexuellen.

Eine einmalige Gelegenheit, hinter die Fassade des Vatikans zu blicken.

Erhoffen Sie sich, etwas zu bewirken?

Leider überhaupt nicht. Ich zweifle stark daran, dass dieses Treffen etwas am Kurs der katholischen Kirche ändern wird.

Weshalb nehmen Sie trotzdem teil?

Die Jugendlichen kommen aus der ganzen Welt nach Rom, ich werde erfahren, wie der Katholizismus in ihrer Kultur gelebt wird und erhoffe mir davon sehr viele Denkanstösse. Ausserdem ist es eine einmalige Gelegenheit, hinter die Fassade des Vatikans zu blicken.

Das Gespräch führte Lars Gotsch

Sandro Bucher

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Der 25-jährige Luzerner ist Social-Media-Fachmann und schreibt für das Wissenschafts-Magazin higgs.ch. Er ist Mitglied der Freidenker-Vereinigung Schweiz und bezeichnet sich als Atheist.

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