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Neue Bergstation auf dem Titlis stösst auf Widerstand
Aus HeuteMorgen vom 10.09.2020. Bild: ZVG
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Attraktion Bergstation Stararchitekten stürmen die Gipfel

Der Berg alleine reicht nicht mehr: Bergbahnen setzen auf Architektur als Besuchermagnet. Etwa auf dem Titlis.

Ganz nach oben geschafft haben es die Basler Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron eigentlich schon längst: Ihre Bauten werden weltweit gefeiert, viele davon gelten als Ikonen der Baukunst – das Nationalstadion von Peking etwa, der Anbau der «Tate Modern» in London oder die Elbphilharmonie in Hamburg.

Doch es geht noch höher. Genauer: auf 3020 Meter über Meer. Hier, auf dem Titlis, einem der beliebtesten Wintersportorte der Zentralschweiz, sollen die beiden Basler für rund 100 Millionen Franken eine neue Bergstation bauen.

Ein Bau wie ein grosser Kristall

Visualisierungen des Projekts zeigen eine markante Stahlkonstruktion mit viel Glas, die wie ein grosser Kristall aus dem schroffen Fels ragt und neben An- und Abfahrtshalle der Seilbahn drei Restaurants für gut 550 Personen beherbergen, dazu Shops und eine Aussichtsterrasse.

Berggipfel des Titlis mit der geplanten neuen Bergstation.
Legende: Spitzenarchitektur auf 3020 Metern Höhe: So soll die neue Titlis-Bergstation von Herzog & de Meuron dereinst aussehen. Keystone

Gleichzeitig wollen Herzog und de Meuron den 50 Meter hohen Richtstrahlturm öffentlich zugänglich machen, den die PTT in den 1980er-Jahren errichtet hatte; eine Bar und ein Restaurant sollen darin entstehen, eine Plattform mit spektakulärer Aussicht auf die Alpen im Süden und dem Flachland im Norden.

Der Anspruch: Eine ästhetische Bergstation

Ob Herzog und de Meuron tatsächlich loslegen und die Titlis-Bergbahnen mit dem Projekt «Titlis 3020» ihre in die Jahre gekommene Infrastruktur auf Vordermann bringen können, muss sich erst noch zeigen. Am 27. September stimmt die Obwaldner Gemeinde Engelberg, auf deren Gebiet der Titlis liegt, über die dafür notwendige Änderung des Zonenplans und des Baureglements ab. Danach wartet der WWF, der versuchen will, die Titlis-Bergbahnen dazu zu bewegen, das Projekt zu redimensionieren.

Richtstrahlturm auf dem Gipfel des Titlis.
Legende: Auch der 50 Meter hohe Richtstrahlturm soll öffentlich zugänglich werden. Geplant sind eine Bar und ein Restaurant. Der Turm ist durch einen unterirdischen Gang mit der Titlis-Bergstation verbunden. Keystone

Klar ist aber: Die Basler Architekten wollen nicht einfach eine Bergstation bauen. Sondern eine ästhetisch ansprechende Bergstation. Die heutige, mehrfach umgebaute Station von 1967 sei «unansehnlich», sagte Pierre de Meuron bei der Präsentation des Projekts gegenüber Radio SRF, der Geruch darin «manchmal nicht auszuhalten». Und er fragte rhetorisch: «Wenn ein Ort viele Besucher anzieht, warum soll man dann nicht etwas Schönes bauen? Etwas, das unsere Sinne anspricht, wo man sich wohlfühlt und willkommen geheissen wird?»

Im Toggenburg funktionierts bereits

Herzog und de Meuron haben das schon einmal getan, im Toggenburg, auf dem Chäserrugg oberhalb des Walensees. 2015 wurde dort ihr neues Gipfelgebäude eröffnet. Statt der alten wuchtig-unförmigen Bergstation mit schmucklosem Gasthaus empfängt Wanderer und Skifahrer seither ein eleganter Holzbau, der von einem ausladenden Flügeldach überspannt ist, modern, aber von der lokalen Bautradition inspiriert.

Der Bau – und das weltberühmte Architektenduo dahinter – brachte den Chäserrugg in die Medien, und damit ins Gespräch: Die Bahn auf den Gipfel verzeichnete in der Folge zusätzliche Frequenzen aus dem Raum zwischen Zürich und St. Gallen, vor allem das Sommergeschäft legte zu.

Mit den Bauten von Stararchitekten zusätzliche Gäste auf den Gipfel holen: Das ist auch das Ziel der Titlis-Bergbahnen. «Der Trend ist klar: Der internationale Tourismus individualisiert sich», sagt Norbert Patt, Geschäftsführer der Titlis-Bergbahnen. «Es wird mehr Individualtouristen und qualitativ höherwertigen Tourismus geben. Darum bauen wir auch mit Herzog und de Meuron.»

Mario Botta machte es im Tessin vor

Die Idee ist freilich nicht neu. Bereits Ende der 1990er-Jahre holten die Betreiber der Luftseilbahn Locarno-Cardada den Tessiner Stararchitekten Mario Botta ins Boot. Sie waren inspiriert von der Gondelbahn auf den Monte Tamaro: Botta hatte dort 1996 eine spektakuläre Kirche gebaut, die sich als Touristenattraktion entpuppte. Botta entwarf für die Locarnenser Seilbahnbetreiber schliesslich die Bahnstationen in Orselina und Cardada, und dazu gleich auch noch die Gondeln.

Stararchitektur auf Gipfeln wird die Ausnahme bleiben.
Autor: Jürg Stettler Leiter Institut für Tourismuswirtschaft, Hochschule Luzern

Das Ergebnis gefiel nicht allen, doch die Rechnung ging auf: Für Jürg Stettler, Leiter des Instituts für Tourismuswirtschaft der Hochschule Luzern, ist die im Frühling 2000 eröffnete Bahn ein gelungenes Beispiel dafür, wie Architektur einen Gipfel für Besucher attraktiver machen kann. Botta baute kurz darauf gleich auch noch eine Bergbahnstation im Skigebiet Les Diablerets.

Stararchitekten haben ihren Preis

Jürg Stettler stellt bei Bergbahnbetreiber seither eine «höhere Sensibilität für Architektur in den Bergen fest», wie er sagt. Dies, nachdem zwischen den 1960er- und 1980er-Jahren, als die grossen Seilbahnen gebaut wurden, vor allem die Funktionalität im Vordergrund gestanden habe.

Dennoch: Dass Berggipfel nun massenweise mit Bauten von Stararchitekten bestückt werden, glaubt, Stettler nicht. «Die geplante Station auf dem Titlis kostet rund 100 Millionen, so etwas kann sich eine kleinere Destination gar nicht leisten», sagt er. Bei der Planung einer Station werde zwar tendenziell überall mehr Gewicht auf den Aspekt gelegt, wie sich der Bau ins Landschaftsbild einfüge oder welchen Charakter das Gebäude ausstrahlen soll. Aber, sagt Stettler: «Stararchitektur auf Gipfeln wird die Ausnahme bleiben.»

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