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Autofahren in Graubünden «Mein Vater brauchte damals nur fünf Fahrstunden»

Im Engadin muss die Autobahn beim Fahrunterricht simuliert werden. Bündner Mythen und Realitäten zum Führerschein.

Das Gerücht hält sich hartnäckig. Es sei viel einfacher, im Engadin Autofahren zu lernen – fünf Fahrstunden würden bei vielen reichen, so erzählt man sich im Kanton.

Doch der Engadiner Fahrlehrer Christian Rauch winkt ab: «Das ist heute nicht mehr möglich. Wir haben deutlich mehr Verkehr auf den Strassen.» Der Durchschnitt liege bei 20 bis 25 Stunden. Auch wenn man sich im Engadin immer noch erzähle, dass die Eltern nur fünf oder sechs Fahrstunden gebraucht hätten. «Der Verkehr hat zugenommen», sagt Rauch.

Kreiselparty in Chur

Während im Engadin die steilen und manchmal auch schmalen Strassen eine besondere Herausforderung für den Fahrschüler darstellen, müssen diejenigen in Chur die unzähligen Kreisel meistern. Bruno Schlegel ist seit bald 23 Jahren Fahrlehrer im Rheintal. «Alles ist in Bewegung», mit den Kreiseln fliesse alles, das sei deutlich anspruchsvoller als die vielen Ampeln früher.

Engadin hat vielleicht zwei Lektionen weniger.
Autor: Andrea Rothenbühler Chefexperte Strassenverkehrsamt

Schlegel ist gleichzeitig Präsident der Bündner Fahrlehrer und bestätigt die Einschätzung des Engadiner Kollegen punkto Fahrstunden: Es gebe keine Unterschiede.

Gleichermassen äussert sich der oberste Bündner Experte für Fahrprüfungen, Andrea Rothenberger. Der Durchschnitt liege kantonsweit bei 20 Fahrstunden – plus minus: «Wenn man es ganz genau anschauen würde, dann würde ich sagen, Engadin hat vielleicht zwei Lektionen weniger.»

Autobahnähnliche Einfahrten

Fakt bleibt, es fehlt im Engadin an einigem. Nebst einer einzigen Ampel gibt es keine Autobahn. Die Fahrschülerinnen und Fahrschüler im Hochtal brauchen deshalb Vorstellungskraft, sie müssen die Autobahneinfahrt an geeigneter Stelle simulieren. «Klar, man hat nicht die Geschwindigkeit von 120 Kilometern pro Stunde», sagt der Bündner Chefexperte, höchstens 80 km/h. «Aber die Einfahrten sind kürzer und deshalb sogar noch anspruchsvoller als auf der Autobahn im Churer Rheintal.»

Wer eine solche Einfahrt im Engadin gemeistert und eine Lücke im Verkehr gefunden habe, könne ohne Probleme auf die richtige Autobahn, ist Rothenberger überzeugt.

Warum also hält sich das Gerücht so hartnäckig? Es sei attraktiv, die eigenen Fahrstunden nach unten zu korrigieren, sagt dazu Fahrlehrer Rauch, weil bei den Kolleginnen und Kollegen weniger Fahrstunden besser ankämen.

SRF1, Regionaljournal Graubünden, 17:30 Uhr; habs

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