Da ein sogenannter «Hauch von nichts», dort eine Boxershort, ein eng geschnittener Korsettschoner, ein langes, geripptes Hemd. Die Sammlung der Hanro umfasst rund 20'000 Exemplare von Kleidungsstücken, die Hanro einst in Liestal herstellte: nun stecken Wissenschaftler und Professorinnen ihre Köpfe in die Wäsche
Wertvolle Sammlung
«Die Sammlung ist wertvoll, weil sie uns viele Fragen beantworten kann», sagt Saskia Klaassen vom Museum Baselland gegenüber dem «Regionaljournal Basel» von Radio SRF. Wie haben die Menschen seit dem Beginn der Hanro anno 1884 gelebt, welche Moralvorstellungen hatten sie und wie haben sie sich bedeckt, respektive wie freizügig waren sie. Klaassen zupft einen Badeanzug samt einer Art Übermantel vom Kleiderständer. «Wenn die Frau am Pool im eigenen Garten sass und es an der Türe klingelte, war sie im Nu angemessen bekleidet», mutmasst Klaassen. Was in welcher Situation angemessen war, dem könne die Wissenschaft nun auch dank dieser Sammlung auf die Spur kommen.
Männerwäsche ist funktional, Frauenwäsche erotisch
Die Hanro-Sammlung umfasst jedes Stück, das Hanro seit 1884 produzierte. Die Angestellten haben jeweils ein Stück zur Seite gelegt, als Belegexemplar. Die Sammlung umfasst vor allem Unterwäsche für Männer und Frauen, aber auch Nachthemden, Spitzenwäsche, Pijamas und ganze Kleider.
Die Unterschiede zwischen der Wäsche für Männer und Frauen sind gross. Während die Frauenwäsche oft verziert, manchmal gar durchsichtig und fein ist, präsentiert sich die Männerwäsche vor allem funktional.
Wissenschaft interessiert sich für Unterschiede
Für solche Unterschiede interessiert sich die Kulturwissenschaftlerin und Ethnologin Ulrike Langbein. Sie zeigt auf eine kleine Schlaufe an einem Korsettschoner, der um 1900 hergestellt wurde. «Schleifchen waren zuerst funktional, denn nur so konnte man den Körper einschnüren.» Später habe man aber geschmeidigere Stoffe und Abnäher benutzt. Die Schleifen seien geblieben, nicht mehr als Notwendigkeit, sondern als «textile Lockstoffe, als erotisches Accessoir». Ganz anders die Männerunterwäsche, die stets funktional geblieben sei, sagt Langbein.
Bund zahlt 400'000 Franken
Die Erforschung der Hanro-Sammlung wird nun durch den Bund unterstützt, der rund 400'000 Franken für ein Nationalfondsprojekt zur Verfügung stellt. An den Forschungsarbeiten beteiligt sind Wissenschaftler und Professorinnen ganz verschiedener Sparten. Untersucht werden kulturwissenschaftliche Belange, Design und nicht zuletzt auch die Firmengeschichte von Hanro und mit ihr die Industriegeschichte des Baselbiets.