Sie war erst 21 Jahre alt, als sie alleine und nur mit 50 Rappen auf sich in die Schweiz flüchtete. Annette Blom erinnert sich noch gut daran, wie die Flucht verlief. «Ich lief an einem Sonntag los und kam an die Grenze. Dort stand ein Soldat und sagte mir, dass ich hier nicht sein dürfe», beschreibt die heute 91-Jährige. Sie habe den Soldat in ein Gespräch verwickelt, damit er sie nicht nach ihrem Ausweis fragt. «Nur wenig weiter stand aber schon der nächste Soldat», so Blom. Als dieser für einen kurzen Moment nicht hinsah, rannte die junge Frau los.
Da sie in Deutschland als «Halbjüdin» galt, wurde sie ab 1944 verfolgt. Sie wusste, dass die Gestapo nach ihr suchte und sie in ein Lager bringen wollte. «Da wusste ich, was ich zu tun habe». Sie sei im Moment der Flucht sehr ruhig und konzentriert gewesen.
Vom Zollhaus ins Gefängnis
Nach der gelungenen Flucht meldete sich Annette Blom beim Bettinger Zollhaus. Dort wurde sie dann von der Polizei abgeholt und in den Lohnhof begracht. Sie hatte Glück: Ab Juni 1944 wurden ind er Schweiz jüdische Flüchtlinge nicht mehr abgewiesen. Sie durfte bleiben und war in Sicherheit.
In der Bevölkerung ein Tabu
Die Tatsache, dass über die Grenze Flüchtlinge aus Deutschland und Frankreich kamen, war in der Bevölkerung von Riehen und Bettingen kaum Thema. «Die Menschen waren zu sehr mit den eigenen Problemen beschäftigt», so Buchautorin Lukrezia Seiler. Und das Problem sei auch tabuisiert worden. Magdalena Hürlimann, sie erlebte die Kriegszeit als Kind in Riehen, beschreibt: «Ich habe niemandem davon erzählt, dass meine Mutter manchmal Menschen aufnahm und ihnen zu essen gab.» Man habe nicht darüber geredet. Manchmal habe sie am Morgen Frauen auf der Strasse darüber tuscheln hören, dass wieder Flüchtlinge gekommen seien.
Buch in 4. Auflage
Das Buch «Fast täglich kamen Flüchltinge» erscheint bereits in der 4. Auflage. In zahlreichen Gesprächen mit Zeitzeugen und durch die Analyse von Grenzwacht-Protokolle zeichnen die Autoren ein Stimmungsbild der beiden Grenzdörfer. Eine wichtige Rolle spielte der damalige Regierungsrat Fritz Brechbühl. Er versuchte, die restriktive Flüchtlingspolitik aus Bern zu lockern. «Man sagt von ihm, dass er ein weiches Herz hatte», so Lukrezia Seiler. Er gab vor, dass jene Flüchtlinge, die schon an der Grenze entdeckt wurden wieder abgewiesen wurden. Jene aber, die es bereits in den Lohnhof geschafft hatten, durften grösstenteils bleiben.