Ist der 1. Mai als Feiertag ein alter Zopf? Die junge CVP will zusammen mit ihrer Mutterpartei den 1. Mai abschaffen, da der Feiertag nicht mehr zeitgemäss sei. Diese Ansicht teilt Hansueli Scheidegger von der Gewerkschaft Unia nicht. «Wenn ich schaue wie die Beteiligung ist am 1. Mai, dann ist der Tag sicher kein alter Zopf.» Zudem seien die Probleme, zum Beispiel die Ungleicheit bei den Löhnen, noch immer aktuell und zeigten, dass es auch in Zukunft wichtig sei, für die Interessen der Arbeitnehmenden einzustehen.
1. Mai: Kampftag oder Feiertag?
Für Handelskammer-Direktor Franz Saladin hat der 1. Mai eine andere Bedeutung: Er sehe den 1. Mai «als Feiertag für den Arbeitsfrieden, den wir erreicht haben.» Eine Abschaffung mache auch seiner Ansicht nach keinen Sinn.
Es sei wichtig, den 1. Mai als Kampftag für die Rechte der Arbeitnehmenden zu erhalten, ergänzt Scheidegger: «Was vor 150 Jahren aktuell war, ist auch heute aktuell. Die soziale Ungleichheit wird immer grösser.»
Franz Saladin war selbst noch nie an einer 1. Mai-Kundgebung. Er betont, dass es insbesondere um den Dialog gehe. «Wir sind alle Teil der Gesellschaft und brauchen einander. Sowohl die Anliegen der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer sind wichtig.» Als Redner an einer 1. Mai-Kundgebung auftreten würde Saladin nur, wenn nicht «mit einem Pranger-Brief eingeladen würde». Sonst müsse er noch faule Tomaten und Eier fürchten.
Auch Hansueli Scheidegger betont, dass man zu Diskussionen bereit sei. Aber: «Nur zu predigen, dass wir alle im gleichen Boot sitzen, das reicht nicht. Wir haben immer dann Erfolg gehabt, wenn wir gekämpft haben»
Stichwort working poor
Beim Thema Mindestlohndebatte kritisierte Franz Saladin, dass es sich dabei um das falsche Mittel handle. «Von jenen Menschen, die unter dem Mindestlohn sind, sind 90 Prozent nicht von Armut betroffen.» Man müsse sich fragen, was eigentlich der Sinn der Initiative sei. «Ich glaube, es geht um den Kampf, es klingt gut und schürt Emotionen. Es geht gar nicht wirklich um Lösungen, sondern um Provokation und darum, Unfrieden zu stiften», so Saladin.
Was ist ein fairer Lohn?
Die Einkommensunterschiede in der Schweiz seien im internationalen Vergleich gering, meint Franz Saladin. «Wir haben wenige Arbeitslose und die Wirtschaft funktioniert sehr gut. Wenn man überreguliert dann bewegen wir uns in Richtung französischer Verhältnisse, wo jeden Tag Menschen auf die Strasse gestellt werden.» Zudem müsse man differenzieren, man könne nicht einen fixen Betrag für alle als Mindestlohn festlegen.
Hansueli Scheidegger hingegen meint, dass ein fairer Lohn sich nicht einfach daran messen könne, dass man sich die Existenz sichern kann. «Ein fairer Lohn muss Leistung und Arbeit würdigen. Es geht nicht nur darum, nicht unter der Armutsgrenze zu leben. Wenn man mit einer abgeschlossenen Lehre unter 4'000 Franken im Monat verdient, dann ist das nicht fair»