Zum Inhalt springen

SVP-Begrenzungsinitiative Stellvertreter-Debatte vor der Stunde der Wahrheit

Eine klare Sache: Nach dem Nationalrat hat heute auch der Ständerat die Initiative der SVP gegen die Personenfreizügigkeit (Begrenzungsinitiative oder BGI) mit 38 zu 4 bei drei Enthaltungen abgelehnt. Auch vor dem Volk dürfte es die Initiative schwer haben. Ihre Annahme wäre wohl das Ende der Bilateralen I. Voraussichtlich am 17. Mai 2020 wird die «BGI» zur Abstimmung kommen.

In der Debatte um die SVP-Initiative geht es schon seit längerem mehr um das künftige Verhältnis mit Brüssel, also das Rahmenabkommen, und weniger um die Begrenzung oder gar die Beendigung der Personenfreizügigkeit.

Das heisst: Die Diskussion um die BGI ist zur Stellvertreter-Debatte oder zum Vorgeplänkel für die Gretchenfrage verkommen: Wie hält es Bern künftig mit Brüssel: Braucht es ein Rahmenabkommen – ja oder nein oder geht es so weiter wie bisher?

Kommt das Rahmenabkommen?

Noch immer ist nicht klar, ob, wann und wie sich das Verhältnis Schweiz-EU entwickeln wird. Der Text des Rahmenabkommens liegt seit einem Jahr auf dem Tisch, Klärungen oder gar Nachverhandlungen in den drei Punkten Lohnschutz, Unionsbürgerrichtlinie und staatliche Beihilfen hat es noch keine gegeben. Brüssel und die EU-Mitgliedstaaten sind ungeduldig. In der Schweiz ist die Unterstützung für den jetzigen Text (derzeit noch) klein. Die Debatte um die BGI fällt nun genau in diese unklare Situation.

Die SVP gegen den Rest

Der SVP geht es mit ihrer Initiative um die Beendigung der Personenfreizügigkeit mit der EU. Sie sieht darin die Fortsetzung der nicht richtig umgesetzten Masseneinwanderungsinitiative von 2014. Für die SVP ist die zu hohe und ungesteuerte Zuwanderung aus der EU in die Schweiz Ursache für viele Probleme, wie etwa verstopfte Strassen, Zersiedelung, oder Überfremdung. Die BGI sieht vor, innerhalb eines Jahres nach Annahme die Personenfreizügigkeit auf dem «Verhandlungsweg» ausser Kraft zu setzen. Gelingt dies nicht, kündigt der Bundesrat das Abkommen «innert weiteren 30 Tagen».

Ausser der SVP unterstützt niemand diese Volksinitiative. Ihre Annahme würde wohl das Ende des bilateralen Weges bedeuten. Will das Volk das? Wohl nicht. Daher hat sich die Debatte um die BGI auf eine ganz andere Ebene verschoben. Es geht nur noch vordergründig um die Begrenzung der Zuwanderung, sondern vielmehr um einen weiteren Test für die europafreundlichen Kräfte in diesem Land. Wie stellen sich diese zur Zukunftsfrage? Braucht es mit Brüssel eine neue Hausordnung, also ein Rahmenabkommen?

Der bald beginnende Abstimmungskampf gegen die BGI wird zeigen, ob es die europapolitische Koalition aus SP, CVP und FDP noch gibt und ob sich die Sozialpartner nach dem Zerwürfnis um die flankierenden Massnahmen im Sommer 2017 wieder zusammenraufen können. Das ist derzeit offen.

Nur ein Vorgeplänkel

So gesehen war die heutige Ständeratsdebatte nur Vorgeplänkel für die eigentliche Frage: Will sich die Schweiz mit einem Rahmenabkommen institutionell an die EU anbinden – wie Brüssel seit zehn Jahren fordert – oder will sie versuchen, mit den bestehenden Abkommen weiterzufahren wie heute und wie es viele in der Schweiz wünschen?

Diese Frage muss das Volk in den nächsten zwei bis vier Jahren beantworten. Die BGI ist nur das Vorspiel.

Christoph Nufer

Leiter Bundeshausredaktion, SRF

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Christoph Nufer ist seit 2016 Leiter der Bundeshausredaktion des Schweizer Fernsehens SRF. Davor war er als EU-Korrespondent in Brüssel stationiert.

Meistgelesene Artikel