Es sind für viele Menschen in der Schweiz prägende Erinnerungen an das erste Ski- oder Sommerlager in den Bergen. In den 60- und 70er-Jahren haben viele Gemeinden im Mittelland solche Ferienheime gekauft, um den Schulkindern derartige Erlebnisse zu ermöglichen.
Doch die Zeiten haben sich geändert. Immer mehr Gemeinden verkaufen ihre Ferienheime. Beispielsweise hat dies die Aargauer Gemeinde Wettingen an der Ortsbürgergemeindeversammlung vom Mittwoch so beschlossen. Das Ferienheim Ftan im Unterengadin ist seit 60 Jahren in ihrem Besitz.
Weniger genutzt und darum verkauft
Die Beziehung der Bewohnerinnen und Bewohner zu Ftan ist eng, weil viele mit ihr schöne Kindheitserinnerungen verbinden. Gemeindepräsident Roland Kuster war in seiner Jugend nie dort. Er sieht in diesem Ferienhaus vor allem ein Kostenproblem.
Kuster sagt: «Das Hauptproblem war, dass ein gewisser Nachholbedarf an Instandhaltung zu Buche geschlagen hat. Wenn das Haus keine Akzeptanz findet bei unserer Bevölkerung und eben zu wenig genutzt wird, kann diese Investition nicht getragen werden.»
Nicht alle vom Verkauf überzeugt
Die Belegungszahlen gingen in den letzten Jahren tatsächlich zurück. Bei den heutigen Lehrerinnen und Lehrern war das Haus nicht mehr sehr beliebt. Die Distanz bis ins Engadin sei zu gross und das Haus zu alt. Das sehen aber nicht alle so.
Der Wettinger Walter Bühlmann meint: «Die Kinder kamen wegen des Hauses überhaupt das erste Mal mit der Bergwelt in Kontakt und gehen dann später im Leben wieder in die Region. Für den Tourismus ist es wichtig, dass man beispielsweise nicht nur in den Karsumpel nach Rust fährt, sondern eben in die Berge geht.»
Der 83-Jährige war selbst Lehrer und ist offensichtlich kein Fan von Freizeitparks und möchte also, dass die Kinder weiterhin in den Bündner Bergen wandern oder skifahren. Gemeindepräsident Kuster sieht es anders.
Vielen Gemeinden geht es ähnlich
Es sei mehr Vielfalt gefragt: «Heute gibt es wesentlich mehr Möglichkeiten. Man möchte nicht mehr eine Bindung an einen ganz bestimmten Ort. Ich glaube, heute ist die Welt offener geworden. Das zeigt sich auch in dieser Abstimmung.»
Denn die Hoffnungen der Anhänger des Ferienheims sind gescheitert. Die Wettinger Ortsbürgerinnen und -bürger haben entschieden, dem Verkauf des Hauses steht praktisch nichts mehr im Weg. Damit ist Wettingen kein Einzelfall.
Vielerorts wurden in den vergangenen Jahren grosse Ferienheime aus ähnlichen Gründen verkauft. Sei es mangels Nachfrage oder weil teure Sanierungen anstehen.