1941, mitten im zweiten Weltkrieg, steckte der Schweizer Tourismus in einer tiefen Krise. Die Bettenauslastung betrug gerade noch 14 Prozent. «Es herrschte eine depressive Stimmung», sagt Monika Bandi, die Leiterin der Tourismusforschung an der Universität Bern. Das war die Ausgangslage, als an den beiden Universitäten Bern und St. Gallen die Tourismusforschung begann.
Man wollte der Tourismusbranche Wissen zur Verfügung stellen.
Die Forschungsstellen waren von Anfang an auch auf Dienstleistungen für die Praxis ausgerichtet. «Die Politik wollte dieser herausgeforderten Branche Wissen zur Verfügung stellen», sagt Monika Bandi. Das Phänomen Tourismus war damals wissenschaftlich noch kaum erforscht, schreiben die beiden Universitäten in einer Mitteilung zum 75-Jahr-Jubiläum.
Getrübtes Verhältnis
Zu Beginn wurden die Anregungen aus der Forschung in der Praxis gut aufgenommen. Kühler wurde das Verhältnis, als aus der Forschung Kritik kam.
Etwa 1975 mit dem Buch «Die Landschaftsfresser – Tourismus und Erholungslandschaft, Verderben oder Segen?» Mit dieser kritischen Analyse aktueller touristischer (Fehl-)Entwicklungen und ihrer Ursachen wies Jost Krippendorf von der Uni Bern damals auf selbstzerstörerische Tendenzen des Tourismus hin.
Die Forschung habe die unbequeme Aufgabe übernommen, der Tourismuswirtschaft den Mahnfinger zu zeigen, sagt Monika Bandi. Worauf der Tourismusforscher aus Bern, Jost Krippendorf, im Kanton Graubünden ein Auftrittsverbot erhalten habe. «International wurde er hingegen für seine Forschung mit einem Preis ausgezeichnet.»
Neue Themen, gleiches Ziel
Später, mit dem Nachfolger von Jost Krippendorf an der Uni Bern, habe sich das Verhältnis zwischen der Tourismusbranche und der Forschung wieder entspannt, sagt Monika Bandi. Vermehrt ging es in der Forschung nun wieder um konkrete Lösungen für die Tourismusbranche, etwa mit der Einführung eines Qualitätsgütesiegels.
Heute beschäftigen die Tourismusforschung zum Beispiel der Umgang mit der Frankenstärke oder das Potenzial der Digitalisierung. Anderes ist gleich geblieben: «Wir sind Träumeverkäufer», sagt die Leiterin der Tourismusforschung an der Uni Bern, Monika Bandi. Und nimmt damit die Position der Tourismusbranche selber ein. Es sei durchaus auch heute noch ein Ziel der Forschung, die Tourismusbranche zu unterstützen, sagt sie. «Solange man die Tourismusregionen entwickeln will, ist die Forschung dazu zentral.»
Monika Bandi selber mag am Thema Tourismus, dass es immer um Menschen gehe. «Mich fasziniert die Leidenschaft, mit der die Menschen in dieser Branche arbeiten.» Nicht zuletzt habe sie ein wunderbares Forschungsgebiet: «Die schönsten vier Wochen der Schweizer Bevölkerung, nämlich die Ferienzeit.»