Sie sei vor acht Jahren eigentlich per Zufall in diese Rolle gerutscht, erzählt Bénédicte Plüss. Damals sei sie in der Zeitung über ein Inserat vom Turnverband gestolpert. Dieser suchte in Biel nach Gastfamilien. «Ein Jahr später habe ich dann eine Anfrage einer Familie bekommen und spontan zugesagt.»
Bereits mit 13 Jahren werden die jüngsten Mädchen fürs Nationalkader der Kunstturnerinnen selektioniert. «Diese jungen Mädchen kommen aus der ganzen Schweiz nach Biel, um im nationalen Leistungszentrum in Magglingen zu trainieren. Eine Gastfamilie soll ihnen einen geschützten Ort mit familiären Strukturen bieten. Einen Ort, wo die Mädchen auch einmal abschalten können», sagt Plüss.
Eine Gastmutter zu sein, sei eine spannende Herausforderung, so Bénédicte Plüss weiter. «Ich habe dadurch einen Einblick in die spezielle Welt des Spitzensports erhalten.»
Die Mädchen brauchten vor allem jemanden, der für sie da sei, sagt Plüss. «Wenn sie vom Training nach Hause kommen, sind sie müde, hatten einen strengen Tag und sind vielleicht auch einmal sauer auf den Trainer.» Da müsse die Gastmutter ein offenes Ohr haben und mit den Mädchen über andere Dinge plaudern als über Kunstturnen.
Ich fühle mich mehr als Gotte und nicht wie eine Mutter
Bevor die Mädchen von zu Hause wegziehen, kommt es zum Treffen zwischen der potenziellen Gastfamilie und den Eltern. «Dabei geht es darum herauszufinden, ob man einander sympathisch ist und ob die Eltern bereit sind, ihre Tochter der fremden Person anzuvertrauen.» Für Kost und Logis erhält eine Gastfamilie eine finanzielle Unterstützung vom Turnverband und den leiblichen Eltern. Sie sei kein Mutterersatz, sagt Bénédicte Plüss. «Ich fühle mich mehr als Gotte oder als ältere Freundin der Mädchen.»
Wenn sie die Mädchen an Wettkämpfen turnen sehe, sei sie unglaublich nervös. «Ich fiebere jedes Mal mit und hoffe, dass alles gut geht.» Dass die Europameisterschaften im Kunstturnen in Bern stattfinden, sei eine grosse Chance für sie, Giulia auch einmal live zu sehen, sagt Plüss. «Ich wünsche ihr von ganzem Herzen, dass sie gewinnt - wenn nicht jetzt, dann spätestens an den Olympischen Spielen im Sommer in Rio.»
(Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 17:30 Uhr)