«Hier hielt sich wohl einer für einen unwiderstehlichen Künstler», sagt Thomas Ingold bei einem Rundgang durch das Breitenrainquartier. Der Präsident des Leists Bern-Nord zeigt dem SRF-Reporter zahlreiche Graffitis, Schriftzüge und andere Sprayereien. Aus dem Quartier höre er immer wieder die gleichen Klagen: «Man ist wütend, macht die Faust im Sack und weiss nicht recht, wie weiter.»
Manche hätten resigniert, er gehöre selbst dazu, sagt Thomas Ingold. «Ich lasse einmal oder zweimal pro Jahr den Maler kommen. Dazwischen stinkt es einem halt, nach Hause zu kommen, wenn dieses versprayt ist.» Besonders im Visier der Sprayer seien renovierte Gebäude. Ein Anwohner erzählt: «Kurz nach der Sanierung hiess es ‹Neubau-Huren› an der Fassade.» Solches richte sich offenbar gegen Privatpersonen. «Wenn etwas saniert wird, wird das sofort gebrandmarkt.»
Ein anderer Bewohner des Breitenrainquartiers erzählt von Sisyphusarbeit: «Wenn man eine Sprayerei wegputzt, ist sie ein paar Tage später wieder angebracht.» Allerdings: Wo immer und immer wieder geputzt werde, höre es auf.
Zürich macht es anders
Während sich in Bern ein Verein (Casablanca) um das Wegputzen von Sprayereien kümmert, gibt es in der Stadt Zürich dafür eine Fachstelle. Mit einem 50-Prozent-Pensum kümmert sich Priska Rast um zweierlei: Einerseits darum, dass die Gebäude von Sprayereien gesäubert werden, die man sauber halten will. Andererseits sucht sie Flächen, die für Sprayer freigegeben werden. Und sie vergibt - in Absprache mit den politischen Vorgesetzten - Aufträge der Stadt an Graffiti-Künstler.
Das entscheidende Kriterium ist für Priska Rast immer das Gleiche: «Hat man vor dem Sprayen gefragt, ob man darf. Ist es legal oder nicht.» Illegale Sprayereien bekämpft sie. Wenn man sie konsequent immer wieder wegputze, nütze das: «Die Wirksamkeit konnten wir mehrfach mit Zahlen belegen.» Es brauche allerdings manchmal etwas Ausdauer, einen langen Atem.
Alternativen zum Wegputzen
Die Zürcher Graffiti-Beauftragte erzählte in ihrem Vortrag beim Berner Verein Casablanca auch von Varianten zum konsequenten Wegputzen der Sprayereien. An ausgewählten Orten werden Flächen offiziell zum Sprayen freigegeben. Diese seien sehr begehrt und würden von Leuten benutzt, die sich Zeit nehmen für ihre Werke. «Auf einer freigegebenen Fläche hat man wirklich schöne Arbeiten.» Es brauche solche «Spiel-Plätze» in einer Stadt. Allerdings nehme dadurch das illegale Sprayen nicht ab: «Wer den Kick sucht und illegal sprayt, auf den hat eine freigegebene Fläche keine Anziehungskraft.»
Ab und zu vergibt die Stadt Zürich auch Aufträge an Graffiti-Künstler. Das jüngste Beispiel ist gross und auffällig bei der Baustelle auf der Quaibrücke zu sehen. «Dort haben wir fast 700 Quadratmeter Baustellenwände an drei Künstlerteams vergeben», sagt Priska Rast. Herausgekommen seien lebendige und farbenfrohe Werke. «Die Passanten haben grosse Freude daran.»