Jahrzehntelang hatte der Sensebezirk demografisch und wirtschaftlich die Nase vorn. «Dieses Wachstum war von der Nähe zu Bern beeinflusst», sagt Paul Coudret, Wirtschaftsberater bei der Freiburger Handels- und Industriekammer. Im Greyerzbezirk setzte der Boom erst um die Jahrtausendwende ein, dafür so richtig.
Greyerz hatte viel – und günstiges – Bauland. Familien aus der Genferseeregion kamen, um sich ihren Traum vom Eigenheim zu erfüllen. Portugiesen kamen, um die Häuser zu bauen – und sind auch geblieben. Seit 2000 ist die Greyerzer Bevölkerung um mehr als 40 Prozent gewachsen.
500 Millionen Franken Investitionen
Auch die Wirtschaft hat zugelegt, wie der Vergleich der gesamten Unternehmenssteuern von 2005 (knapp 8 Millionen Franken) zu 2013 (über 19 Millionen) zeigt. Zwei Beispiele verdeutlichen dieses Wachstum:
- Der Baumaschinen-Weltkonzern Liebherr, welcher bis 2020 in Bulle 200 Millionen Franken investieren will.
- Der Pharmariese UCB, welcher 300 Millionen Franken in den Standort Bulle investiert hat.
Dazu hat der Greyerzbezirk eine florierende Baubranche mit mehr als 1500 Angestellten. «Und wer hier arbeitet, will auch hier wohnen», sagt Nadine Gobet, Direktorin der Fédération Patronale – dem Arbeitgeberverband mit Sitz in Bulle.
Uns fehlt es an Bauland, welches verfügbar ist.
Eine halbe Milliarde Franken Investitionen, von solchen Zahlen kann der Sensebezirk nur träumen. «Es stimmt, dass die wirtschaftliche Entwicklung nicht ganz so gut ist, wie im Greyerzbezirk», sagt Thomas Rauber, Präsident des Gewerbeverbands Sense. «Uns fehlt es an Bauland, welches echt verfügbar ist. Meistens wollen es Private nicht verkaufen.».
Und noch etwas unterscheidet die beiden Bezirke: Der Greyerzbezirk wächst dank dem starken Zentrum Bulle. Mehr als 40 Prozent aller Greyerzer wohnen in dieser Stadt mit 20'000 Einwohnern. Ganz anders der Sensebezirk, welcher eine viel grössere Diversität kennt: Von den Dörfern an der Autobahn im unteren Sensebezirk bis zum Tourismusort Schwarzsee im oberen Sensebezirk.
Zu verstecken brauche sich die Sensler Wirtschaft aber nicht, sagt Paul Coudret – in Sachen Innovation seien die Sensler Unternehmen auf Augenhöhe mit den Greyerzern. Nur: «Wer spricht schon von Fabromont in Schmitten oder Element AG in Tafers? Niemand.» Die Greyerzer Unternehmen hätten mehr Mittel, um von sich reden zu machen. «Cailler zum Beispiel hat alle Mittel von Nestlé im Rücken.»
Wer spricht schon von Fabromont oder Element AG? Niemand.
Und der Boom des Greyerzbezirks könnte auch eine Kehrseite haben: Bei so vielen Neuzuzügern und Pendlern, welche sich nicht mehr wirklich mit ihrem Wohnort identifizieren, bröckelt die viel beschworene Greyerzer Identität.
«Der Greyerzbezirk hat noch nicht seine Identität verloren. Aber das droht. Eine gute Wirtschaft braucht auch eine gesunde soziale Kohäsion. Da sehe ich Vorteile für den Sensebezirk», so Paul Coudret.
(Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 06:32 / 17:30 Uhr)