Von 1809 bis 1814 sass der Maler Marquart Wocher in einer Dachkammer hoch über der Thuner Altstadt und skizzierte detailgenau, was er rundum sah: Einen Augenblick aus dem Alltag der Stadt Thun, mit ihren Menschen, dem geschäftigen Treiben, der grandiosen Aussicht auf See und Berge und auf den Schlossberg.
Grosses Kino vor zweihundert Jahren - das Marquart Wocher dann in einem hölzernen Rundbau in Basel zu Papier brachte. 39 Meter lang und rund 7 Meter hoch wurde sein monumentales Rundgemälde - heute das älteste Panoramabild überhaupt auf der Welt, ein Kunstschatz von unschätzbarem Wert.
Jahrzehntelang war das Bild überall nur im Weg...
Nur - dieser Schatz fristete über Jahrzehnte ein tristes Dasein. Das Riesenbild landete 1899 als Geschenk beim Thuner Verschönerungsverein und verschwand dann bis 1920 unter dem Turnhallenboden des Aarefeldschulhauses. Erst 1956 beschloss der Thuner Stadtrat den Bau einer neuen Rotonde im Schadaupark. Das Bild wurde restauriert und 1960 von der Eidgenössischen Gottfried-Keller-Stiftung angekauft. 1961 war der Rundbau aus Backsteinen fertig.
...bis das Dornröschen wachgeküsst wurde.
2009, vier Jahre nach einem Hochwasser, das den Rundbau und das Bild beschädigte, ergriffen Privatleute und der Förderverein des Schlossmuseums die Initiative. Sie sammelten bei Spendern, bei Stiftungen und Mäzenen so viel Geld, dass auch der Stadtrat mit einem Kredit einstieg, um das inzwischen in Thun-Panorama umgetaufte Kulturgut zu erhalten und auszubauen. Selbst für routinierte Architekten und Restauratoren eine sehr spezielle und einmalige Aufgabe.
Dank Subventionen und Spenden musste die Stadt nur noch ungefähr die Hälfte der rund 3,3 Millionen Franken beisteuern, die die Neuinszenierung des Thun-Panoramas kostet. Inzwischen ist der Bau saniert, der filigrane Anbau mit Museumsshop, Bistrot und Ausstellungsraum fertiggestellt und das Rundbild restauriert. Es erstrahlt in intensiver Schönheit.
Am ersten Septemberwochenende 2014 bekommt die Bevölkerung ihr Thun-Panorama zurück, das nun die Wertschätzung und die Aufmerksamkeit erhält, auf die das Werk jahrzehntelang gewartet hat.
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Bild 1 von 7. Der renovierte Rundbau des Thun-Panoramas von 1961 mit dem neuen Anbau im Vordergrund. Bildquelle: SRF.
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Bild 2 von 7. Der neue Anbau des Thun-Panoramas mit Museumsshop, Bistrot und Ausstellungsraum: Architektonisch die radikale Reduktion auf das Wesentliche. Bildquelle: SRF.
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Bild 3 von 7. Letzter Schliff für das renovierte Thun-Panorama: Ein Mitarbeiter des Tiefbauamtes legt Hand an. Bildquelle: SRF.
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Bild 4 von 7. Hommage an den Schöpfer des gewaltigen Thuner Panoramabildes: Die im Jahr 1814 üblichen Utensilien des Malers Marquart Wocher. Bildquelle: SRF.
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Bild 5 von 7. Grosses Kino von 1814: Der Blick von der Thuner Dachkammer des Marquart Wocher Richtung See und Berge... Bildquelle: SRF.
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Bild 6 von 7. ...und im Rücken die heute noch praktisch unveränderte Thuner Silouette mit Schloss, Stadtkirche und dem Dächergewirr der Altstadt. Bildquelle: SRF.
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Bild 7 von 7. Marquart Wocher schaute beim Thuner Alltag von 1814 sehr genau hin - bis hinein in die Wohnstuben. Bildquelle: SRF.