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Bern Freiburg Wallis Der «Heiler von Bern» sieht sich als Opfer einer Verschwörung

Der Verteidiger fordert im Berufungsprozess vor Obergericht einen Freispruch oder eine mildere Strafe. Der Staatsanwalt beharrt auf der höchsten Strafe, die möglich ist. Der «Heiler» selbst bestreitet jede Schuld und sieht sich als Opfer.

Es gebe keinen einzigen Beweis, dass der ehemalige Musiklehrer 16 Personen vorsätzlich mit dem HI-Virus angesteckt habe, befand Verteidiger Ernst Reber. So basiere der Schuldspruch auf zwei mangelhaften Gutachten zur Herkunft der HI-Viren und zur psychiatrischen Situation des «Heilers».

Kritik am Indizienprozess

Das Regionalgericht habe die Gutachten zudem missbraucht, um die eigene Schuld-These zu stützen. Schliesslich sei ein neuer Leitentscheid des Bundesgerichts zur HIV-Infektion nicht berücksichtigt worden. Demnach gelte eine Ansteckung mit HIV heutzutage nicht mehr automatisch als schwere Körperverletzung.

Unter solchen Umständen sei sein Klient freizusprechen. Gleichzeitig stellte er die Eventualanträge, den Fall zur Neuverhandlung ans Regionalgericht zurückzuweisen und - wenn überhaupt - den «Heiler» lediglich wegen einfacher Körperverletzung schuldig zu sprechen.

Das Regionalgericht Bern-Mittelland hatte den «Heiler» im Frühling 2013 nach einem Indizienprozess und einem rund 9jährigen Ermittlungsverfahren zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren und neun Monaten verurteilt. Es sprach ihn der Verbreitung menschlicher Krankheiten und der schweren Körperverletzung schuldig. Dagegen hatten der Heiler wie auch die Staatsanwaltschaft Berufung beim Obergericht erklärt.

Staatsanwalt will höchstmögliche Strafe

Staatsanwalt Hermann Fleischhackl konterte in seinem Plädoyer, er habe das neue Bundesgerichtsurteil sehr wohl berücksichtigt. Für die Anklage sei die Beweislage erdrückend und von einer seltenen Klarheit. Von einer einfachen Körperverletzung könne ja wohl nicht die Rede sein. Immerhin habe der Angeklagte während 5 Jahren 16 Menschen systematisch unheilbar krank gemacht.

Der Staatsanwalt beharrt deshalb auf ihrem Antrag, die mögliche Höchststrafe von 15 Jahren auszusprechen. Das Obergericht kann nicht darüber hinausgehen, weil der «Heiler» in diesem Berufungsprozess nicht für mehr als mehrfache schwere Körperverletzung verurteilt werden kann.

Eindringliche Apelle der Opferanwälte

Die Anwälte der Opfer schilderten nochmals die Leiden, die Einschränkungen, die Folgekrankheiten und die verkürzte Lebenserwartung ihrer Klienten. Die neuen Medikamente, die HIV-Infiszierten bei schneller Behandlung helfen können, seien für die Opfer des Heilers zu spät gekommen. «Der Heiler hat sich auf die Stufe des Allmächtigen gestellt», zitierte einer der Anwälte aus einem Protokoll. Sie verlangen alle ein «angemessenes» Urteil für schwere Körperverletzung und Verbreitung menschlicher Krankheiten.

«Heiler» sieht sich als Opfer einer Verschwörung

Der «Heiler» benutzte das ihm zustehende letzte Wort, das Verfahren in seiner Gesamtheit in Zweifel zu ziehen und abermals seine Unschuld zu beteuern. Man habe Menschen, die er liebte, gegen ihn aufgebracht. «Keiner von ihnen hat mir je gesagt, ich sei ein Verbrecher. Ich war wie ein Vater zu ihnen. Aber Sie stellen mich als Monster dar», warf er dem Gericht vor.

Das Obergericht verkündet das Urteil in diesem Berufungsprozess am Freitag gegen Mittag.

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