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Kehrichtverbrennungsanlage aus Beton mit hohem Kamin .
Legende: Die Avag Thun und andere Firmen kämpfen im Einzugsgebiet der Avag um den Plastikabfall. Christian Strübin / SRF

Bern Freiburg Wallis Der Streit um Plastikabfälle ist lanciert

Die Thuner Abfallentsorgungsfirma Avag rät den Gemeinden in ihrem Einzugsgebiet davon ab, zusammen mit privaten Recyclingfirmen eine separate Kunststoffsammlung einzuführen. Ein Grund dafür: Die Avag will nächsten Frühling selber ein entsprechendes Projekt lancieren.

Eigentlich würde der Gemeinderat von Oberwil im Simmental den Plastikabfall seiner Bürgerinnen und Bürger gerne separat in einem Plastiksammelsack sammeln - und diesen dann der Wiederverwertung zuführen.

Nun sind die Verantwortlichen aber im Dilemma: Einerseits könnte die Gemeinde das Plastiksammelsystem eines privaten Anbieters übernehmen. Oder aber sie warten bis zum Frühling: bis dann will das Abfallentsorgungsunternehmen Avag, zusammen mit anderen Firmen, ein eigenes Plastiksammel-System einführen. Allerdings will sie nicht, wie die meisten privaten Anbieter, den gesamten Plastik separat einsammeln, sondern nur Kunststoffflaschen und Getränkekartons.

Ein Brief an alle Gemeinden

Den Kampf um den Plastikabfall hat die Avag indes schon einige Wochen vorher mit einem Brief lanciert: Den 145 Gemeinden in ihrem Einzugsgebiet - dies erstreckt sich vom Berner Oberland bis ins Emmental - hat sie mitgeteilt, dass die «separate Kunststoffsammlung in gebührenpflichtigen Säcken» nicht zielführend sei. Damit meint sie Kunststoffsammlungen, wie sie verschiedene private Firmen in der Schweiz anbieten. Dieses System suggeriere der Bevölkerung, dass alle gesammelten Kunststoffe dem Recycling zugeführt würden, heisst es im Brief.

Dabei sei erwiesen, dass mindestens 50 Prozent der gesammelten Kunststoffe wegen Verschmutzung wieder der Verbrennung zugeführt werden müssten. Doch stimmt das? Markus Tonner, Geschäftsführer der Firma Innorecycling, sagt, dass rund 50 bis 60 Prozent des gesammelten Plastikabfalls wiederverwertet würde. Der Rest werde der Zementindustrie als Brennmaterial zugeführt.

Wenn Abfall fehlt, fehlt auch Geld

Wenn Gemeinden ihren Plastikabfall nun also durch einen privaten Anbieter entsorgen lassen, dann fehlt dieser in der Kehrichtverbrennungsanlage der Avag als Brennstoff. Ist die Avag also aus ökonomischen Gründen gegen das separate Kunststoffsammeln der privaten Anbieter? Avag-Marketingleiter Werner Grossen verneint: «In einem zweijährigen Pilotprojekt analysierten wir das Sammelgut und die Mengenströme. Die Menge an Kunststoff unserer gesamten Abfallmenge lag dabei im kleinen Prozentbereich.»

Die Möglichkeit des Rechts - und des Drohens

Dennoch: Der Avag-Marketingleiter macht gleichzeitig darauf aufmerksam, dass die Avag eigentlich das Monopol auf die Entsorgung des Siedlungsabfalls habe. Will heissen: Die Avag könnte eine Gemeinde juristisch belangen, sollte diese ihren gesamten Siedlungsabfall - dazu gehört Plastik - nicht über die Avag entsorgen lassen. Will die Avag nun jenen Gemeinden mit rechtlichen Schritten drohen, die sich für einen privaten Plastikrecycling-Anbieter entscheiden? «Mit Sicherheit nicht, wir werden dieses Recht kaum wahrnehmen», sagt Grossen.

Weil die Kehrichtverbrennungsanlagen in der Schweiz in öffentlicher Hand sind und das Recht den KVAs ein Monopol der Abfallentsorgung einräumt, sei der Kampf um den Plastikabfall ein Kampf mit ungleich langen Spiessen, sagt Markus Tonner von der Firma Innorecycling. Obwohl die Fakten für einen ökologischen Mehrwert separater Kunststoffsammlungen aller Plastikarten spreche, würden diese Argumente von der öffentlichen Hand immer noch ignoriert.

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