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Bern Freiburg Wallis Fluch oder Segen? – «Pokémon Go» am Berner Casinoplatz

Zehn Tage nachdem das Smartphone-Spiel in der Schweiz veröffentlicht wurde, belagern Spielerinnen und Spieler Plätze und Strassenzüge. Statt eine Chance zu wittern, schütteln Berner Restaurant-Besitzer den Kopf.

Wie bereits vor 20 Jahren auf dem Gameboy, geht es beim Smartphone Spiel «Pokémon Go» darum Fantasiewesen namens «Pokémon» zu suchen, einzufangen und zu trainieren, um sie anschliessend in Arenen gegeneinander kämpfen zu lassen. Anders als damals in den 1990er Jahren verstecken sich die Pokémon heute jedoch nicht in einer virtuellen, sondern in der realen Welt.

Dank der GPS-Funktion von Smartphones erscheinen die Tiere auf der Karte und locken den Spieler in ihre Nähe, bis sie schliesslich gefangen werden. Dabei können Pokémon zu sogenannten «Poké-Stops» gelockt und dort leichter erwischt werden, erklärt Spielerin Janine. «Am Casinoplatz hat es gleich fünf solche Stationen, hier kann ich mit Hilfe von Lock-Modulen seltene Pokémon leichter einfangen.»

Diesen Umstand hat auch der Geschäftsführer vom Dataquest-Shop am Casinoplatz, Lothar Zahnd entdeckt. «Wir kamen wie die Jungfrau zum Kinde», sagt Zahnd. «Deshalb haben wir die Aktion gestartet, dass jede und jeder, der ein Pokémon bei uns im Laden fängt, dafür gratis einen Akku fürs Handy erhält.» Das Angebot habe voll ins Schwarze getroffen. «Wir wurden von Spielerinnen und Spielern überrannt und so mussten wir die Aktion bereits frühzeitig abbrechen, da uns die Akkus ausgegangen sind.»

Der viele Abfall ist das grösste Problem.
Autor: Tobias Burkhalter Geschäftsführer, Restaurant Casino

Weil der Casinoplatz für die Pokémon-Go-Spielerinnen und -Spieler so attraktiv ist, tummelten sich am Wochenende zeitweise mehr als 200 Personen auf dem Platz. Im Gegensatz zum Elektronikgeschäft, sehen Restaurants die vielen Leute nicht als potenzielle Kunden an. Für Tobias Burkhalter vom Restaurant Casino sind die Pokemon-Go-Spielerinnen und Spieler eher ein Störfaktor.

«Der Zugang zum Restaurant ist versperrt, auf der Strasse kommt man nicht mehr durch und das Schlimmste ist der Abfallberg am nächsten Morgen», klagt Tobias Burkhalter vom Restaurant Casino. Die Spielerinnen- und Spieler als Gäste für das Restaurant zu gewinnen, habe er sich bis Anhin noch nicht überlegt. «Der eine oder andere trinkt vielleicht einmal etwas auf der Terasse, doch denke ich nicht, dass die Pokémon-Go-Spielerinnen und Spieler bei uns etwas essen wollen. Die wollen unter sich bleiben.»

Für 1.20 Franken pro Stunde können Restaurants Pokémon-Spieler in ihr Lokal locken.
Autor: Mauro D'Amico Gründer der Facebook-Gruppe «Pokémon Go Bern»

Diese skeptische Haltung kann Mauro d'Amico nicht verstehen. Der 27-jährige beschäftigt sich mit Öffentlichkeitsarbeit im Internet und bewirtschaftet die Berner Pokémon-Go-Facebook-Gruppe mit mehr als 1000 Mitgliedern. Gerade Kleinbetriebe in der Nähe von Poké-Stops könnten von dem Spiel mit Suchtfaktor profitieren. «Für einen Franken und zwanzig Rappen pro Stunde könnten zum Beispiel Imbissbuden ein Lock-Modul aktivieren. Dieses würden die Spielerinnen und Spieler schon von weit weg auf der Karte eingeblendet sehen und aufsuchen.» Da je länger ein Spieler vor Ort ist, desto seltenere Pokémon erscheinen, wäre auch garantiert, dass die Leute sich längere Zeit bei dem Lock-Modul aufhalten würden.

Im Ausland werden solche Lockstrategien mit Pokémon Go bereits erfolgreich umgesetzt. So konnte beispielsweise eine Pizzeria in New York laut der New York Times ihren Umsatz um 75 Prozent steigern. Ob und wie die Pokémon-Euphorie auch in der Berner Gastroszene umgesetzt wird, bleibt indes abzuwarten.

(Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 06:32/17:30 Uhr)

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