11 Kinder waren die Blochers, Judith das zweitälteste. Im Pfarrhaus mit Blick auf den Rheinfall herrschte ein riesiger Druck: «Wir sind zu übersensiblen Gewissensträgern erzogen worden», sagt die heute 80-Jährige. Und dieses übersensible Gewissen sei ihr geblieben. «Das geht nicht mehr weg. Aber heute kann ich darüber reden und auch darüber lachen.»
Die Prägungen aus der Kindheit haben auch die Ehe von Judith Giovannelli stark beeinflusst. Während sie in einem christlich-bürgerlichen Haus aufwuchs, lernte ihr Mann Sergio in Italien in einem sozialistischen Umfeld die Armut kennen.
Diese Unterschiede seien nicht einfach: «Ich habe auf eine Art meinen bürgerlichen Habitus behalten», sagt Judith Giovannelli. Sie könne zum Beispiel nicht plötzlich nur noch Jeans tragen und aus der Pfanne essen, wie ihr Mann es sich gewohnt war. «Und was gilt jetzt, wenn man zusammen ist?», fragt sie. Aber sie sei sehr dankbar für die Ergänzung, welche die andere Herkunft ihres Mannes in ihr Leben gebracht habe.
Nicht mehr «nur die Schwester»
Früher wurde Judith Giovannelli oft auf ihren berühmten Bruder Christoph Blocher angesprochen. «Als ich meine ersten Bücher schrieb, war es eine Demütigung, dass ich immer auf den Bruder reduziert wurde.» Aber das sei längst nicht mehr so. Längst werde sie als eigenständige Person und als Buchautorin ernst genommen.
Judith Giovannelli wohnt mit ihrem Lebenspartner in Biel. Sie arbeitete als Sozialarbeiterin und unterrichtete in diesem Bereich unter anderem in Bern. Ihre Biographie heisst «Der rote Faden. Die Geschichte meines Lebens».