Der Auftrag ist klar, die Umsetzung eine Gratwanderung. Einerseits muss die Regierung die Sozialhilfekosten um 22 Millionen Franken oder 10 Prozent senken. Andererseits will der Gesundheits- und Fürsorgedirektor Philippe Perrenoud ein «soziales Existenzminimum» gemäss den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) aufrechterhalten.
Das bedeutet, dass mit der Sozialhilfe nicht nur Essen, Körperpflege und Obdach gewährleistet ist, sondern auch ein Minimum an sozialer Beteiligung; zum Beispiel mal ein Kinobesuch oder ein Ausflug.
«Das ist für uns die rote Linie. Völlige soziale Ausgrenzung ist völlig kontraproduktiv», argumentiert der bernische Sozialdirektor.
Die Gratwanderung im revidierten Sozialhilfegesetz
In einem revidierten Sozialhilfegesetz, das nun bis August in die Vernehmlassung geht und im ersten Halbjahr 2016 zweimal vor den Grossen Rat kommt, schlägt die Regierung folgende Sparmassnahmen vor:
- Der Teuerungsausgleich beim Grundbedarf ist bereits ab 2014 gestrichen. (5 Mio.)
- Die Integrations-Zulage wurde bereits ab 2014 auf das SKOS-Minimum von 100 Franken gesenkt. (10 Mio.) Ein Beispiel für die neue bernische Zurückhaltung, wenn die SKOS-Richtlinien einen gewissen Spielraum lassen.
- Junge Erwachsene bekommen 15 Prozent weniger Grundbedarf. Sie können den vollen Grundbedarf erreichen, wenn sie sich um Integration und Ausbildung bemühen. (1 Mio.)
- Bern verschärft die Sanktionen für Sozialhilfebezüger, die sich nicht an die Regeln halten. Neu können die Leistungen um 30 Prozent gekürzt werden, bisher um 15 Prozent. (Nicht beziffert)
- Arbeitssuchende aus Europa (EU und Efta) bekommen keine ordentliche Sozialhilfe mehr. Sie werden nur noch mit der verfassungsmässigen Nothilfe unterstützt. (Nicht beziffert)
- Die Kosten für Fremdplatzierungen, Umzüge und situationsbedingte Leistungen wie Brillen werden nach oben begrenzt. (6 Mio.)
Mit dem verweigerten Teuerungsausgleich und der reduzierten Integrationszulage ab 2014 erfüllte die Regierung das Sparziel bereits zu zwei Dritteln. Die weiteren Massnahmen sollen nochmals 7 Millionen bringen.
Das grosse Aber: Die neuen SKOS-Richtlinien
Parallel zur Revision des bernischen Sozialhilfegsetzes läuft allerdings ein Prozess bei den SKOS-Richtlinien mit ungewissem Umgang.
Einerseits sind die Familien-Tarife bestritten, anderseits gilt der Grundbedarf für Einzelpersonen und Paare als zu tief.
Könnte es sein, dass aufgrund von geänderten SKOS-Tarifen die vorliegende Gesetzesrevison gleich wieder rückgängig gemacht werden muss, zumindest was den Spareffekt betrifft? «Ich fürchte eher, dass dann im Kanton Bern doppelt gespart wird», vermutet Philippe Perrenoud. Allerdings rechnet er damit, dass bei der Parlamentsdebatte im Januar und Juni 2016 die neuen Fakten der SKOS vorliegen.