Der Kanton Bern will das traditionell enge Verhältnis zwischen Kirche und Staat lockern. Aber die Politik will keinen vollständigen Bruch, sondern eine sorgfältige neue Definition einer Partnerschaft. Das hat das Kantonsparlament im Herbst 2015 festgelegt. Nun liegt das totalrevidierte Kirchengesetz vor und geht in die Vernehmlassung.
Sieht unspektakulär aus und ist doch revolutionär. Partnerschaft statt historisch enge Bindung zwischen Kirche und Staat.
Die prägendste Änderung ist, dass die Kirchen ihre Geistlichen künftig selber anstellen. Nach 212 Jahren verlieren die Pfarrleute also ihren Status als Staatsangestellte. Ein helvetisches Unikum hat ein Ende. Zudem sind die Landeskirchen bei ihrer Organisation selbst verantwortlich. Mehr Autonomie also. Das neue Gesetz soll ab 2020 gelten.
Der Kanton Bern und seine Kirchen
Aber es bleibt bei den bisher drei Landeskirchen, der Reformierten, der Römisch-Katholischen und der Christkatholischen. Mit der jüdischen Gemeinschaft braucht es eine neue Vereinbarung. Der Staat nimmt sich zwar zurück, aber er schreibt Grundsätze vor, zum Beispiel, dass Pfarrer eine akademische Ausbildung haben müssen. Zudem muss die römisch-katholische Landeskirche ihr Personalrecht anpassen. Bei der reformierten und der christkatholischen Kirche gilt künftig ein Gesamtarbeitsvertrag.
Billiger wird es für den Kanton nicht
Der Kanton soll die Kirchen weiterhin im bisherigen Rahmen mit rund 75 Millionen Franken jährlich finanziell unterstützen. Dies basiert auf zwei Säulen.
Die eine trägt der Tatsache Rechnung, dass der Kanton vor rund zweihundert Jahren reformierte Kirchengüter entschädigungslos übernommen hat. Staat und Kirche haben sich geeinigt, dass der Wert der konfiszierten Kirchengüter nach heutiger Rechnung 197 Pfarrstellen entspricht. Die Landeskirchen sollen dafür einen Sockelbeitrag vom Kanton von insgesamt 43,24 Millionen Franken erhalten.
Das Gesetz ist eine gute Grundlage. Die Ansprüche der Kirche sind gewahrt.
Die Römisch-Katholische Landeskirche und die Christkatholiken werden gleich behandelt, auch ohne die historischen Verpflichtungen wie bei der reformierten Landeskirche.
Mit der zweiten Säule leistet der Kanton Bern einen Beitrag an jene Arbeit, die die Landeskirchen im gesamtgesellschaftlichen Interesse erbringen. Leistungsverträge also, vergleichbar mit dem Gesundheitswesen oder der Kultur. Der Betrag der zweiten Säule wird rund 31,35 Millionen Franken betragen.
Nagelprobe bis Mitte Dezember 2016
Dieses totalrevidierte Landeskirchengesetz geht nun bis Mitte Dezember in die Vernehmlassung und auch beim Landeskirchengesetz liegt der Teufel im Detail. Die Kirchen werden nicht nur ja und amen sagen, auch wenn sie grundsätzlich mit einem modernen Landeskirchengesetz einverstanden sind.
Kirche Staat Bern
So beklagt die römisch-katholische Kirche, sie würde nicht gleich behandelt wie die Reformierten. Da geht's um Geld. Zu erwarten ist, dass sich auch die Freikirchen um ein Stück vom Kuchen bemühen. Auch sie würden gesamtgesellschaftliche Leistungen erbringen.
Auch aus der Politik kommen unterschiedliche Signale, trotz den grossrätlichen Grundsatz-Entscheiden Ende 2015: So wollen die Grünliberalen eine viel schärfere Trennung von Kirche und Staat und erachten die Leistungsverträge als Augenwischerei. Die SP fordert, es sei der Einbezug von weiteren Religionsgemeinschaften zu prüfen.
Für die Berner Kirchen ist es ein grosser Schritt. Im interkantonalen Vergleich nicht.
Interessant ist die interkantonale Sichtweise des Freiburger Kirchenrechts-Professors René Pahud. Für die Kirchen habe die Reform durchaus Bedeutung. Allerdings seien andere Kantone schon seit geraumer Zeit am gleichen Ort und andere Kantone seien bei der Trennung viel weiter gegangen. Aber René Pahud sagt auch: «Es ist das, was im Kanton Bern politisch mehrheitsfähig ist».