Was am 1. Februar 2014 genau geschah, ist umstritten. Klar ist, dass die zwei Polizisten einen Mann für einen Drogenschnelltest auf die Bahnhofwache brachten. Dort verrichtete der Mann seine Notdurft, indem er an die Zellentüre pinkelte.
Die Polizisten forderten ihn auf, die Urinlache zu entfernen. Nach ihrer Darstellung widersetzte sich der Mann der Aufforderung; stattdessen habe er mit den Papiertüchern herumgefuchtelt und die Fäuste erhoben. Der eine Polizist drückte ihn darauf zu Boden.
Dann habe er ihn aus der engen Zelle ziehen wollen; dabei habe der Weg notgedrungen durch die Urinlache geführt. Der andere Polizist räumte ein, er habe die Jacke des Mannes in die Lache gelegt.
Anders hatte der renitente Mann die Szene geschildert, ebenso eine an diesem Morgen anwesende Polizeipraktikantin. Der Mann sei bewusst durch die Urinpfütze geschleift worden, offenbar habe man ihm einen Denkzettel verpassen wollen. Er sei quasi als menschlicher Wischmopp eingesetzt worden.
«Keine Polizei-Rambos»
Das Regionalgericht hatte dieser Darstellung Glauben geschenkt und deshalb die beiden Polizisten verurteilt. Ihre Verteidiger machten vor Obergericht geltend, die unerfahrene Polizeipraktikantin habe die Geschehnisse falsch eingeschätzt. Ihre Klienten seien «keine Polizei-Rambos», sondern ausgeglichene Familienväter, die ihre mithin schwierige Arbeit stets korrekt ausgeführt hätten. Ihr Antrag: Freispruch.
Die Verteidigerin des Opfers im ersten Prozess hingegen verlangte, die beiden Polizisten seien zusätzlech auch wegen Körperverletzung und Unterlassen der Nothilfe zu verurteilen. Die junge Polizistin sei glaubwürdig. Um übertriebene Gewalt zu erkennen, brauche es keine Polizei-Erfahrung, so die Anwältin.
Die Generalstaatsanwaltschaft schliesslich verlangt eine Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils. Das Regionalgericht habe den Sachverhalt sorgfältig abgeklärt, sagte Staatsanwalt Charles Haenni. Es gebe insbesondere keinen Grund, die Aussagen der Polizeipraktikantin in Zweifel zu ziehen.
Nach erstem Urteil freigestellt
Für die Polizisten geht es in dem Verfahren um ihre berufliche Zukunft. Nach der erstinstanzlichen Verurteilung beschloss die Korpsleitung, die beiden Männer mit Kündigungsaussicht freizustellen. Vor dem Abschluss des Verfahrens äussert sich die Kantonspolizei Bern nicht weiter.
Das Obergericht in Dreierbesetzung gibt sein Urteil am Dienstag nach dem Mittag bekannt.