Am vergangenen Wochenende brannten in der Nähe der Berner Reitschule einmal mehr die Barrikaden. Demonstranten lieferten sich Auseinandersetzungen mit Polizei und Feuerwehr und tauchten immer wieder in der Anonymität der Reitschule unter. Wie immer protestieren Parteien, der Gemeinderat, der Polizeiverband. Aber man hat den Eindruck, dass auch diese Randale keine weiteren Folgen hat.
Weshalb nehmen Aktivisten im Internet das Recht in Anspruch, Gewalt anzuwenden? Und weshalb kann die Stadt diesen Auseinandersetzungen und dem Vorwurf, hier werde Recht nicht angewendet, offenbar nichts entgegensetzen?
Recht auf Widerstand ist nicht Recht auf Gewalt
Im Gespräch mit dem «Regionaljournal Bern Freiburg Wallis» von Radio SRF zeichnet der ehemalige Berner Uniprofessor, Staatsrechtler und Rechtsphilosoph Jörg Paul Müller ein differenziertes Bild. «Es gibt ein Recht auf verhältnismässigen
Widerstand, auch gegen die Staatsgewalt. Aber es gibt kein Recht auf Gewalt gegen Menschen und Sachen.» Müller mahnt, Protest ernst zu nehmen, die Hintergründe auszuleuchten und Demonstrierende nicht einfach in die Ecke von Kriminellen zu stellen.
Professor Müller nimmt aber auch die Protestierenden in die Pflicht. «Gewalt als Argument ist ein Widerspruch in sich. Gewalt ist das Gegenteil von Kommunikation. Wer protestiert und sich wehrt, muss eine Botschaft haben, sonst verpufft es.»
Dass eine Stadt von der Grösse Berns immer wieder mit Demonstrationen konfrontiert sei, sei klar. Dass die Bevölkerung die Reitschule aber an jeder Abstimmung grundsätzlich verteidigt habe, erachte er als Zeichen der Grosszügigkeit und einer liberalen Haltung. «Die Berner Bevölkerung will diese Institution. Sie hat kulturell viel gebracht und ist auch ein Ventil. Aber die Bevölkerung will sicher keine Gewalt.»