1600 offene Lehrstellen verzeichnet das Mittelschul- und Berufsbildungsamt des Kantons Bern gegen Ende Juni 2016. Fünf Jahre zuvor war es die Hälfte. Wer noch keinen Ausbildungsplatz hat, kann also auswählen. Der Lehrstellenmangel anfangs der 2000er-Jahre hat sich in ein Überangebot verwandelt.
Amtschef Theo Ninck sagt: «Es gibt tatsächlich weniger Lehrlinge. Weil es vorab in ländlichen Regionen markant weniger Jugendliche gibt». Aber er liefert im Gespräch viele spannende und überraschende Argumente, weshalb das Erfolgsmodell der dualen Berufsausbildung noch lange nicht ausgedient hat. Und: Es ist nicht die Uni, die die jungen Leute der Berufslehre entzieht. Die Gymnasialquote im Kanton Bern ist stabil.
Die KMU-Lehrbetriebe erwarten ein Mangel an Berufsnachwuchs
Für Christoph Erb, Direktor des Verbandes Berner KMU, braut sich da ein Problem zusammen. «Wir haben in verschiedenen Berufen Schwierigkeiten, die Ausbildungsplätze zu belegen. Da sehen unsere Lehrmeister ein Nachwuchsproblem auf uns zukommen. Das ist aber nicht nur ein Problem der Menge. Sondern ein Problem der Qualifikation, die die jungen Leute mitbringen.»
Nicht nur die Anzahl der Lehrlinge ist ein Problem. Sondern auch ihre Qualifikation, eine Lehre zu bewältigen.
Dass es zurzeit zuviele Lehrstellen hat, bestreitet auch Sabrina Meier nicht, bei KV Bern zuständig für Beratung und Beruf. Die KV-Branche stellt nach wie vor weitaus am meisten Lehrstellen zur Verfügung. Aber sie warnt davor, die Ausbildungsplätze abzubauen. «Der demografische Wandel mit weniger Jugendlichen war ja abzusehen. Ab 2024 wird es gemäss den Prognosen der Bundesstatistiker wieder aufwärts gehen». Und so rät sie ihren Lehrmeistern, sie sollen sich überlegen, wie die immer noch sehr beliebten KV-Berufe attraktiv bleiben für junge Leute. «Schnuppern ist matchentscheidend».
Die Lehrmeister müssen schauen, wie sie attraktiv bleiben. Schnuppern zum Beispiel ist matchentscheidend.
SwissSkills als eindrückliche Leistungsschau
Die Berner KMU seien daran, das Image der Berufslehre aufzupolieren, sagt Direktor Christoph Erb. So seien die Berufsmeisterschaften SwissSkills 2014 in Bern ein Abbild gewesen, wie zielstrebig und ehrgeizig junge Berufsleute ans Werk gehen. «Wir stehen ja auch im Wettbewerb mit den Gymnasien.»
Auch die Berner Bauern haben soeben eine Lehrlings-Offensive gestartet. In dieser Branche braucht es 300 neue Berufsleute pro Jahr, nur um langfristig die Hofnachfolge von 9000 Berner Landwirten sicherzustellen. «Ohne genügend Berufsnachwuchs beschleunigt sich der Strukturwandel zu immer grösseren Höfen», sagt Urs Ryf, der Präsident der bäuerlichen Lehrbetriebe. «Viele Familienbetriebe haben Nachfolgeprobleme».
Allerdings brauche es immer gut ausgebildete Fachleute. Zum Beispiel als Fachleiter auf immer umfrangreicheren Betrieben.