Nicht nur soll bei Schwerverbrechern das Arztgeheimnis aufgehoben werden: Die betreuenden Ärzte sollen sogar verpflichtet werden, die zuständigen Behörden zu informieren, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass ein Schwerverbrecher – Mörder oder Vergewaltiger – rückfällig wird und für die Betreuer und das Umfeld zur Gefahr werden kann.
Der zuständige Staatsrat Oskar Freysinger (SVP) begründete diesen Vorschlag mit den Vorfällen in Genf und Lausanne, wo eine Betreuerin und eine Bekannte von Schwerverbrechern in Haft umgebracht wurden: «Studien zeigen, dass diese Verbrechen wahrscheinlich hätten verhindert werden können, wenn die betreuenden Ärzte die zuständigen Behörden rechtzeitig über diese Gefahr informiert hätten.»
Im Kantonsparlament wurde der Vorschlag von den Freisinnigen, der SP und den Grünen bekämpft. Marie-Paul Bender von der SP sagte: «Dieser massive Eingriff ins Arztgeheinmis ist nicht nötig, weil schon heute auf Anfrage hin das Arztgeheimnis gelockert werden kann.» Die Aufhebung des Arztgeheimnisses und die Meldepflicht seien kontraproduktiv und behinderten die therapeutische Arbeit der Ärzte und damit die Resozialisierung.
Die grosse Mehrheit der Parlamentarier hingegen teilte die Meinung des Staatsrats. Franz Ruppen von der SVP: «Hier müssen die Interessen der Gefangenen und jene der Bevölkerung abgewogen werden.» Diego Wellig von der CSP ergänzte: «Bei dieser Abwägung ist der Sicherheit der Betreuer und der Bevölkerung klar mehr Gewicht einzuräumen als den Interessen der Schwerverbrecher.»
Mit 76 zu 47 Stimmen hat das Parlament beschlossen, auf den Vorschlag der Regierung einzutreten. Die Details werden am Donnerstag festgelegt.