In der ersten Septemberwoche des Kriegsjahres 1915 meldete der Berner Sozialist, Nationalrat und Regierungsrat Robert Grimm dem Hotel Bon Séjour und der Pension Schenk in Zimmerwald die Ankunft einer ornithologischen Reisegruppe. Allerdings sassen auf den vier Fuhrwerken von Bern her nicht harmlose Vogelliebhaber, sondern die Spitzen der sozialistischen Internationalen aus ganz Europa. Darunter Wladimir Iljitsch Uljanow alias Lenin - der Vater der russischen Revolution und Ikone des Kommunismus.
An diesem Geheimtreffen wurde das «Zimmerwalder Manifest» verabschiedet, um die antimilitaristische, revolutionäre sozialistische Bewegung zu einen. Allerdings war es auch der Anfang der Spaltung der Arbeiterbewegung in einen radikal revolutionären und in einen gemässigten sozialdemokratischen Flügel.
Das Dorf hat Mühe mit dem historischen Erbe
Zimmerwald war über Jahrzehnte allerdings keineswegs stolz darauf, dass auf seinem Boden zweifellos Weltpolitik gemacht wurde. Mit den Kommunisten wollte das durch und durch bürgerliche Dorf nichts zu tun haben und so stand während Jahrzehnten in der Gemeindebauordnung, es seien Denkmäler oder Gedenktafeln jeglicher Art verboten - klar gemünzt darauf, dass man keinen Lenin in Bronze sehen wollte. Zimmerwald war als Standort einer Satelliten-Abhör-Anlage zudem Teil der militärischen Abwehr der Warschauerpakt-Bedrohung im Kalten Krieg. Dafür beglückwünschten rechte Kreise das kleine Dorf. Und - Ironie des Schicksals - an der Stelle der Pension Schenk steht heute die Gemeindeverwaltung und die Filiale einer Regionalbank. Symbol des Kapitalismus, statt sozialistische Gedenkstätte...
Diese Beisshemmung hat Zimmerwald inzwischen etwas abgelegt, 99 Jahre zeitliche Distanz hat ihre Wirkung. «Beim 100-Jahr-Jubiläum 2015 werden wir wohl etwas machen, immerhin ist die Zimmerwald-Konferenz ein historisches Faktum», sagt Gemeindepräsident Fritz Brönnimann. «Wir sehen es nicht mehr so eng. Allerdings wollen wir auch nicht übertreiben. Ein Besuch von Putin zum Beispiel wäre nicht wirklich in unserem Sinn».
Im früheren Ostblock allerdings war der Lenin-Besuch allerdings immer wieder ein Thema. Im Gemeindearchiv lagern zahllose Briefe von Schulen und Historikern aus Russland und Osteuropa mit Anfragen und Besuchswünschen. «Das gibt dann noch zu tun, wenn ich mal Zeit habe, die Sache historisch zu ordnen», sagt Fritz Brönnimann.