«Best International One-Man Show»: Diese Auszeichnung holte der Berner Schauspieler Marco Michel am United Solo Theatre Festival im November in New York mit seinem Einmann-Theaterstück «Ein Kuss». Er spielt darin den italienischen Maler Antonio Ligabue, der anfangs des 20. Jahrhunderts in der Schweiz aufwuchs, mit 18 in die Psychiatrie eingewiesen wurde und mit 20 das Land verlassen musste. Marco Michel kennt die Psychiatrie: Er hat seinen Zivildienst in einer Berner Klinik absolviert, bevor er Schauspieler wurde.
SRF News: Was für Erinnerungen haben Sie an die Psychiatrie?
Marco Michel: Reiche Bilderwelten sind mir geblieben. Ich habe Menschen mit unglaublich schweren Rucksäcken getroffen. Als 19-Jähriger ist man nicht auf alles vorbereitet, was man da erlebt. Andererseits gab es viele schöne und auch lustige Begegnungen.
Sie wuchsen in Ittigen bei Bern auf, liessen sich aber in München zum Schauspieler ausbilden. War es Ihnen in der Region hier zu eng?
Mich zog es schon als 15-Jähriger in die Welt hinaus. Ich bin viel gereist und über Umwege nach München gekommen. Ich wollte meinen Horizont erweitern. Zudem war mir wichtig, dass Hochdeutsch für mich zur Alltagssprache wird.
Sie arbeiten als freischaffender Schauspieler, sind schon in zahlreichen Filmen und Theaterstücken aufgetreten und mit Ihrem Einmannstück haben Sie soeben einen Preis in New York gewonnen – kann man sagen, ‹der hat es geschafft›?
Es kommt darauf an, wie man ‹es geschafft haben› definiert. Ich glaube, ich habe es geschafft, dranzubleiben. Man braucht in diesem Beruf einen unglaublichen Durchhaltewillen und ein grosses Stück Naivität, um es zu wagen.
Ich habe gelernt, mit dem Wechsel zwischen Hoffnung und Ernüchterung umzugehen.
Es ist oft schwierig, verschiedene Engagements aneinander vorbeizubringen. Und man muss sich immer wieder bewerben. Muss mit dem ständigen Wechsel von Hoffnungen und Ernüchterungen umgehen können. Das habe ich gelernt.
Und warum tun Sie sich das an?
Weil ich es liebe. Mich interessieren die verschiedenen Lebensentwürfe, mit denen ich als Schauspieler konfrontiert bin. Ich muss mich auch in Menschen hineindenken, deren Verhalten ich als Privatmensch nicht verstehe.
Ich übe als Schauspieler ständig, das Verhalten von Menschen nicht zu bewerten.
Es ist eine schöne Übung, die man als Schauspieler ständig macht: nicht zu werten. Jeder Mensch hat in sich einen Antrieb für sein Verhalten. Ansatzweise kann man es immer verstehen.
Das Gespräch führte Elisa Häni.