«Die bernische Finanzkontrolle hat festgestellt, dass die Jahresrechnung 2017 des Kantons Bern wesentliche und umfassende Einschränkungen enthält, die nicht dem Gesetz entsprechen und ein nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild liefern.» Das steht im Geschäftsbericht zur Rechnung 2017 geschrieben. Und weiter: «dies sei ein in der Schweiz seltener Vorgang, welcher den Verantwortlichen der Rechnungsführung ein sehr schlechtes Zeugnis ausstellt».
Die Krux mit den neuen Regeln
Um zu verstehen, warum die Finanzkontrolle grobe Mängel in der Rechnung 2017 festgestellt hat, muss einige Jahre zurückgeblickt werden. Im November 2013 hat das Kantonsparlament HRM2 zugestimmt. Dabei handelt es sich um eine neue Rechnungslegung. Deren Einführung war ursprünglich bereits auf 2013 geplant.
Wegen verschiedener Probleme bei mehreren Direktionen, musste die neue Rechnungslegung jedoch um zwei Jahre verschoben werden. 2016 stellte die Finanzkontrolle dann trotzdem noch grosse Mängel fest und der Finanzkommission wurde klar, dass sich HRM2 «definitiv zu einem risikobehafteten Projekt» entwickelte.
Sie forderte den Regierungsrat auf, trotz der vielen Probleme und des hohen Zeitdrucks, das Projekt zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen.
234 Fehler gefunden
Bis zum Rechnungsabschluss 2017, der erstmals nach dem neuen Rechnungslegungsmodell erarbeitet wurde, konnten längst nicht alle Probleme gelöst werden. Die Finanzkontrolle stellte daher wesentliche und umfassende Fehler in der Rechnung fest. Insgesamt 234.
Ein Teil der Fehler wurde korrigiert, aber längst nicht alle. Daraufhin intervenierte die Finanzkontrolle beim Regierungspräsidenten. Der Regierungsrat ignorierte jedoch die Empfehlungen des unabhängigen Fachgremiums und verabschiedete Ende April eine Jahresrechnung ohne Anpassungen. Diese schloss damals mit einem Überschuss von 49 Millionen Franken.
Imageschaden für Kanton befürchtet
Weil sich Regierung und Finanzkontrolle in wesentlichen Punkten nicht einig wurden, schaltete sich die Finanzkommission des Kantonsparlaments ein. Sie wollte verhindern, dass die Probleme in einer öffentlichen Debatte im Parlament ausgetragen werden. «Der potentielle Reputationsschaden für den Kanton wäre hoch», ist im Geschäftsbericht zu lesen.
Nach stundenlangen Gesprächen und Sitzungen lenkte die Kantonsregierung teilweise ein. Sie korrigierte die Rechnung. Mit der Folge, dass diese statt mit einem Plus von 49 Millionen, jetzt mit einem Minus von 5 Millionen Franken abschliesst. Diese Rechnung kommt Ende November nun auch ins Kantonsparlament.
Rechnung gibt ein falsches Bild ab
Trotzdem ist die Finanzkontrolle immer noch nicht zufrieden mit dem Rechnungsabschluss 2017. In sechs wesentlichen Punkten kommt sie zum Schluss, dass diese nicht dem Gesetz entsprechen und ein «nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild liefern».
Würde die Regierung die Empfehlungen der Finanzkontrolle umsetzen, würde die Rechnung nicht mit einem Verlust von 5 Millionen, sondern sogar mit einem Verlust von 39 Millionen abschliessen. Damit könnte der Kanton Investitionen nicht mehr aus eigenen Mitteln bezahlen und die Schuldenbremse müsste angewandt werden.
Parlament soll trotzdem «Ja» sagen
Weil Regierung und Verwaltung die Fehler in der Rechnung 2017 nicht innert nützlicher Frist korrigieren können, empfiehlt die Finanzkontrolle dem Parlament, die Rechnung zu genehmigen. Sie macht aber in ihrem versagten Prüfurteil darauf aufmerksam, dass die Rechnung 2017 des Kantons Bern zu positiv dargestellt wird.
Nicht ohne Folgen
Der Rechnungsabschluss 2017 hat auch direkte und indirekte Folgen auf die Rechnung 2018, das Budget 2019 sowie die längerfristige Finanz- und Investitionsplanung des Kantons Bern. Denn diese stützen sich auf die Zahlen, die Basis und Regeln der Vorjahre ab.