Eine alte Kiesgrube, die renaturiert wurde – wo Frösche quaken und Vögel nisten. Und eine neue Kiesgrube – wo die Maschinen rattern. Zwei Welten, die unterschiedlicher nicht sein könnten, die aber direkt nebeneinander exisiteren. In Ettiswil, auf der Luzerner Landschaft.
Genau dort – zwischen Kiesgrube und dem heutigen, sogenannten Naturlehrgebiet – treten am Wochenende vier Männerchöre auf. Mit dem Projekt «Blick ins Steinreich» betreten die 100 Sänger Neuland.
Probenbesuch am Mittwochabend. Die 100 Männer stimmen ein zum Sprechchor und klopfen dabei mit Steinen einen Rhythmus. Eigentlich sind sie sich ja anderes gewohnt, die Männerchöre Ettiswil, Wolhusen, Harmonie Willisau und Concordia Willisau. Normalerweise stehen sie bolzengerade in einem Raum, wo es rund um sie herum still ist.
Die Idee, aus diesem gewohnten Bild auszubrechen und Neues zu wagen, hatte Benno Baumeler. Er singt selbst bei Concordia Willisau und sagt: «Letztes Jahr sind zahlreiche Zeitungsartikel erschienen, wonach Männerchöre aufgelöst wurden, weil sie zu wenig Mitglieder fanden. Das hat uns beschäftigt.» Umso mehr habe sich die Idee gefestigt, zeigen zu wollen, was Männerchöre sonst noch können ausser traditionelle Chorlieder zu singen.
Also machte sich der 67-jährige Benno Baumeler ans Werk und versuchte, den Luzerner Musiker Urban Mäder als künstlerischen Leiter zu gewinnen. Mäder ist einer, der das Experiment liebt, der fürs Leben gerne musikalisch alles auf den Kopf stellt und mit Hörgewohnheiten bricht.
«Für mich gehört alles zur Musik, was klingt. Daran musste ich mit den Männern arbeiten. Ich konnte sie Schritt für Schritt dafür begeistern und sie überzeugen: Wenn man zum Beispiel mit einer Schaufel ins Kies sticht oder wenn auf einer Trennmaschine ein Band läuft, kann das eine gestalterische Komponente sein und zusammen mit den Liedern einen wunderbaren Mix ergeben», so Urban Mäder. Begleitet wird die Produktion ausserdem von einer Band.
Singen, begleitet von Baumaschinenlärm, das sei nicht ganz einfach, sagt denn auch stellvertretend Hermann Morf vom Männerchor Concordia Willisau: «Der Lärm und die Grösse hier sind zwar gewöhnungsbedürftig. Andererseits denkt man sich: Dann singe ich halt umso lauter und deutlicher.»
Den Takt halten und den Lärm ausblenden sind nicht die einzigen Herausforderungen für die 100 Herren: Sie müssen auch noch dazu arbeiten und selbst Geräusche produzieren.
Trotz dem komplett neuen Erlebnis: Den Männern macht es sichtlich Spass. Doch das war nicht von Anfang an so. Initiant Benno Baumeler schmunzelt, als er von den Anfängen erzählt: «Es brauchte Überzeugungskraft und es gab auch Männerchöre, die wieder abgesprungen sind. Weil sie fanden: Das passt doch nicht zu uns.»
Baumeler ist sich sicher: Die Aufführungen werden im besten Fall jüngere Männer motivieren, einem Chor beizutreten. Ganz sicher werde aber das Projekt die alteingesessenen Männerchöre ein Stück weit verändern. Die Männer würden die Erfahrungen mit Stolz nach aussen Tragen.
SRF 1, Regionaljournal Zentralschweiz, 12:03 / 17:30 Uhr; fiss