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Brigitte Klinkert, Haut-Rhin «Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit hat Leben gerettet»

Das Elsass war eines der am stärksten vom Corona-Virus betroffenen Regionen Frankreichs. Phasenweise drohte das Gesundheitswesen unter der grossen Zahl an Intensivpatientinnen und -patienten zu kollabieren. Unterdessen hat sich auch dort die Situation etwas entspannt.

Regionaljournal Basel: Frau Klinkert, auch in Frankreich sind die Anti-Corona-Massnahmen gelockert worden. Wie haben Sie dies wahrgenommen?

Brigitte Klinkert: Die Situation hat sich im Elsass stark verbessert, auch in meinem Departement Haut-Rhin. Das Virus konnte eingedämmt werden. Die Leute befolgen nach wie vor gut alle Massnahmen wie Einhaltung der Distanzregeln und Tragen des Mundschutzes, sobald man das Haus verlässt. Ich hoffe, das bleibt so. Denn wenn nicht, könnte das Virus wieder aufflackern, was sehr schlimm wäre für das Departement.

Brigitte Klinkert

Präsidentin des Departementrates von Haut-Rhin

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Seit drei Jahren ist die 1956 geborene Brigitte Klinkert Präsidentin des Departementrates von Haut-Rhin. Sie ist starke Verfechterin einer engen Zusammenarbeit entlang des Oberrheins. Sie ist studierte Juristin, war in der kirchlichen Basiszusammenarbeit engagiert und politisiert für das lockere Bündnis «Divers Droite» (verschiedenen Rechte).

Wie ist die Stimmung in der Bevölkerung?

Wir sind froh, können wir wieder aus dem Haus und spazieren gehen. Es ist gut, können wir auch wieder reisen, zumindest etwas. Wir dürfen uns bis 150 Kilometer vom Wohnort entfernen. Und es ist gut, dass bald wieder alle arbeiten gehen dürfen. Das war jetzt wirklich nötig.

In den elsässischen Spitälern war die Situation teilweise sehr dramatisch. Wie ist die Lage jetzt?

Die Lage hat sich entspannt, es gibt viel weniger Menschen auf den Intensivstationen. Seit gestern gibt es allerdings wieder mehr Coronapatienten, die Spitalpflege brauchen. Ich hoffe aber, dass die Situation insgesamt gut bleibt und sich weiter verbessert.

Obwohl also noch nicht alles unter Kontrolle ist, möchten Sie die Grenzen zur Schweiz und zu Deutschland öffnen. Wieso?

Das Virus hält ja nicht an der Grenze, sondern es bewegt sich in gewissen Räumen. Geschlossene Grenzen helfen da nur sehr bedingt. Als überzeugte Europäerin hat es mich traurig gestimmt, die geschlossenen Grenzen zu sehen. Ich denke, das ist schlecht für Europa, daher setzte ich mich für die Grenzöffnung ein.

In einem interview haben Sie gesagt, Sie seien in Sorge, dass die vorübergehende Grenzschliessung etwas in den Köpfen verändert haben könnte. Was genau?

Als Symbol sind geschlossene Grenzen verheerend. Und ich höre aus allen drei Ländern, dass die Ressentiments gegeneinander wieder zugenommen haben. Das ist eine schlechte Entwicklung mitten im Herzen Europas.

Sie wollten, dass die Grenzen vor dem 15. Juni aufgehen. Die französische Regierung hat das aber untersagt. Was hat dieses «Non» aus Paris in Ihnen ausgelöst?

Das Elsass ist weit weg von Paris. Daher versteht man dort nicht, was geschlossene Grenzen bedeuten. Die Wirtschaft hier ist sehr eng miteinander verflochten. Daher werde ich mich weiterhin in Paris für eine vorzeitige Öffnung einsetzen.

Wünschten Sie sich mehr Autonomie für das Elsass?

Wir werden ab dem 1. Januar 2021 mehr Autonomie erhalten. Das Elsass als Gesamtes wird dann eine eigene Gebietskörperschaft und kann seine grenzüberschreitenden Beziehungen selber gestalten und auch die Zweisprachigkeit wieder fördern. Wir möchten, dass die jungen Elässerinnen und Elsässer wieder Deutsch und Französisch können.

Wieso ist es für das Elsass so wichtig, grenzüberschreitend zusammenarbeiten zu können?

Ich kann Ihnen ein Beispiel geben: Als hier die Coronakrise ausbrach und unsere Spitäler drohten, unter der Last der vielen Patientinnen und Patienten zusammenzubrechen, habe ich einen Brief an die Regierungen des Jura, der beiden Basel und Baden Württembergs geschickt mit der Frage, ob sie einige unserer Intensivpatienten übernehmen könnten. Nur wenige Stunden später rief mich Basels Regierungspräsidentin an und gab grünes Licht. Das ist nur ein Beispiel für konkrete Zusammenarbeit. In Paris sage ich den Ministern immer und immer wieder, dass uns der Rhein nicht trennt, sondern - wie Victor Hugo schon sagte - er verbindet uns.

War das nicht ein knallharter Deal: Die Schweiz übernimmt Patienten aus dem Elsass, Frankreich lässt dafür das elsässsische Pflegepersonal weiterhin in die Schweiz ausreisen?

Nein, das war Solidarität. Ich hatte viel Kontakt mit den Regierungen in der Schweiz und in Deutschland. Die Übernahme von unsern Intensivpatienten hat wirklich Leben gerettet.

Aber hat diese Pandemiesituation nicht gezeigt, dass die Nationalstaaten in Krisensituationen zuerst an sich denken? Das widerspricht dem, was S«ie gerne hätten für diese Region.

Ich habe mit meinen Regierungskollegen aus den Schweizer Grenzkantonen und Baden Württemberg abgemacht, dass wir, wenn die Pandemie zu Ende ist, eine Bilanz ziehen und uns fragen, was wir in Zukunft besser machen können. Wir werden von Paris auch die Hoheit über unser Gesundheitssystem verlangen, was die grenzüberschreitende Zusammenarbeit verbessern sollte.

Worauf freuen Sie sich am meisten, wenn die Grenzen wieder öffnen?

Ich freue mich darauf, meine Kolleginnen und Kollegen in den Nachbarländern nicht nur per Videokonferenz sehen zu können, sondern mit ihnen anstossen zu können. Und ich werde nie vergessen, dass dank ihrer Hilfe Leben im Elsass gerettet wurde.

Brigitte Klinkert, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Martina Polek.

Regionaljournal Basel; 17:30 ; 

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