Nathalie Radelfinger ist hautnah dabei, wenn in Bern Politik gemacht wird. Sie versorgt die Nationalrätinnen und Nationalräte mit ihrer persönlichen Post, mit Zeitungen oder mit Snacks. Sie sucht ihnen Gesetzesartikel heraus, schaut, dass sie ihren Einsatz am Rednerpult nicht verpassen, bucht Hotelübernachtungen oder sucht nach vermissten Gegenständen. Session bedeutet für die Grenchnerin jeweils Ausnahmezustand.
SRF News: Nathalie Radelfinger, die neue Legislatur hat mit 70 neuen Parlamentarierinnen und Parlamentarier begonnen. Das ist sicher streng für Sie.
Nathalie Radelfinger: Das ist so. Es ist etwas schwierig. Auch die Alteingesessenen haben praktisch alle ihre Sitzplätze gewechselt. Das ist eine grosse Herausforderung. Wir müssen wissen, wer wo sitzt und die Namen und Gesichter kennen.
Niemand in der Schweiz ist vermutlich so gut informiert über Politik wie Sie, Sie müssen nicht einmal Zeitungen lesen oder Radio hören.
Das kann sein. Wir müssen aber verschwiegen sein. Wir haben viel mit vertraulichen Dokumenten zu tun. Das muss alles im Haus bleiben. Aber für uns ist es natürlich sehr spannend, hier zu arbeiten.
Sie interessieren sich also sehr für Politik?
Früher, als ich noch Kindergärtnerin oder Flugbegleiterin war, nicht unbedingt. Seit ich hier arbeite aber schon. Ich verpasse auch keine «Arena».
Man mag gewisse Politiker mega gut.
Es ist für mich auch sehr schwierig, wählen oder abstimmen zu gehen, weil ich alle Leute hier nun persönlich kenne. Man mag gewisse Politiker mega gut. Oder man weiss, wer welche Ansichten hat.
Hat sich Ihr Bild der Politik geändert, seit Sie Weibelin sind?
Natürlich, man hat jeden Tag mit den Leuten zu tun, die unser Land regieren. Das hat sicher einen Einfluss, wenn man hautnah dabei ist und jede Debatte mitverfolgt. Mein Eindruck der Politik ist positiver als früher.
Vor Ihrer Zeit im Bundeshaus waren Sie Flugbegleiterin. Gibt es Parallelen zwischen diesen Jobs?
Ja sicher. Ich flog vor allem auf Privatjets. Ich denke, ich bekam den Job in Bern gerade auch deshalb, weil ich Erfahrungen habe im Umgang mit VIPs.
Sind die VIPs im Bundeshaus schlimmer oder weniger schlimm als die VIPs in Privatjets?
Die sind viel weniger schlimm! Unsere Schweizer Prominente sind sehr pflegeleicht, da hatte ich schon ganz andere Kaliber.
Nächste Woche stehen die Bundesratswahlen an. Die Grünen schielen auf den Sitz von FDP-Bundesrat Ignazio Cassis. Sind Sie nervös?
Also nervös...es ist sicher ein besonderer Tag, ich freue mich darauf. Ich habe die Ehre, mit meiner Kollegin die Bundesräte im Talar – der Festuniform – abzuholen und in den Saal zu führen.
Dann sieht man Sie am Mittwoch vermutlich im Fernsehen.
Ich bin schon ein paar Mal auf der Strasse angesprochen worden von Leuten, die fragten, ob sie mich vielleicht schon im Fernsehen gesehen hätten. Ab und zu wird man schon erkannt.
Ist Ihnen die Rolle im Hintergrund oder im Vordergrund lieber?
Schon lieber im Hintergrund. Aber es gehört beides dazu.
Sie sind nun im sechsten Jahr Bundesweibelin. Was sind Ihre Zukunftspläne?
Ich möchte eigentlich bis zur Pension hier bleiben. Ich bin happy hier. Das Kommen und Gehen gefällt mir, es lebt, alle vier Jahre gibt es einen Wechsel.
Das Gespräch führte Wilma Hahn.