Krisen ziehen Fabian Biasio an. Der 45-jährige Luzerner Fotograf war mit seiner Kamera Ende der 1990er-Jahre mehrmals im Kosovo. Er besuchte das verstrahlte Tschernobyl und reiste nach Fukushima. Im Irak hat er amerikanische Soldaten porträtiert, und in Istanbul versuchte er nach dem Verfassungsreferendum von Präsident Erdogan herauszufinden, wie sich die Gesellschaft verändert.
«Es heisst, in der Krise zeige sich das wahre Wesen des Menschen, und da ist schon etwas dran», sagt Fabian Biasio. «Fotografisch ist das einfach wahnsinnig spannend. Zu sehen, wie sich die Welt verändert, wie sich der Umgang der Menschen miteinander ändert.»
Diesmal liegt die Krise vor der eigenen Haustür
Für sein neuestes Projekt muss er nicht weit reisen: Er dokumentiert mit Bildern, wie wir im Moment mit der Corona-Krise umgehen. Fotografiert Szenen des Homeschoolings, leere Restaurants, maskierte Journalisten bei der Eröffnung des Notspitals von Nottwil. Oder eine Begebenheit, die er in seiner Nachbarschaft beobachtet hat: Ein Mädchen hat Geburtstag und bekommt von seiner Grossmutter einen Kuchen geschenkt – die Übergabe des Kuchens findet auf der Strasse statt, zwischen Grossmutter und Enkelin liegen mehrere Meter Distanz.
Biasio will mit seinen Bildern eine Erinnerung schaffen an die Zeit, die wir gerade erleben. «Wir können den Fotografen dankbar sein, die vor hundert Jahren die Auswirkungen der Spanischen Grippe fotografiert haben», sagt er. «Nur dank ihnen wissen wir heute, wie die Notspitäler damals ausgesehen haben. In 50 oder 100 Jahren können meine Bilder spannend sein für die Menschen, die keine Erinnerung haben an die Corona-Pandemie von 2020.» Es sei die Verantwortung von Fotografinnen und Fotografen, die Welt zu dokumentieren, von der sie umgeben seien.
Behörden blocken ab
Ganz einfach ist diese Arbeit aber nicht. Gerade der Alltag von alten Menschen – etwa in Heimen – oder von Leuten in Quarantäne lasse sich kaum dokumentieren, da er als Fotograf nicht an sie herankomme. «Behörden und Heimleitungen wollen kein Risiko eingehen», sagt der 45-Jährige. «Ich kann das einerseits verstehen – andererseits glaube ich, sollte es für mich die Möglichkeit geben, unter Berücksichtigung der Sicherheitsvorschriften meine Arbeit machen zu können, wie ich es auch in Tschernobyl oder Fukushima konnte.»
Motive findet Fabian Biasio aber auch so genug. Meistens sei er in seiner Nachbarschaft in Luzern unterwegs, sagt er. Er verspüre einfach den Drang, die Krise irgendwie festzuhalten. Und: «Ich habe als Folge der Krise eine Menge Aufträge verloren. Ich habe darum viel Zeit, um mich diesem Projekt zu widmen.»