In den Spitälern in der Region Basel hat es immer weniger Corona-Patientinnen und Patienten. Zeit, eine Zwischenbilanz zu ziehen mit dem ärtztlichen Direktor des Universitätsspitals Basel und Leiter der Taskforce Covid-19.
SRF: Es gibt immer weniger Corona-Patienten in den Spitälern. Haben wir das Gröbste hinter uns?
Christoph Meier: Ich glaube, das hoffen wir alle, sicher sind wir nicht. Ich glaube, die Massnahmen des Bundesrats und im Speziellen die Absage der Fasnacht in Basel waren absolut entscheidende Massnahmen, um die günstige Entwicklung einleiten zu können. Aber wir alle wissen: 95 Prozent der Bevölkerung hatte noch keine Covid-Infektion. Die Virenherde bleiben bestehen, und bis zu einer Impfung werden wir noch viele Monate mit mehr oder weniger starken Einschränkungen leben lernen.
Sie sagen, die Absage der Fasnacht sei entscheidend gewesen, wieso?
Wenn man sich anschaut, was im Ausland passiert ist - sei dies die Freikirchen-Versammlung im Elsass, eine Skiparty im österreichischen Ischgl oder das Fussballspiel zwischen Bergamo und Valencia in Italien - und wenn man bedenkt, dass es an diesen Massenveranstaltungen Infizierte hatte, die dazu führten, dass die jeweiligen Gesundheitssysteme stark strapaziert wurden, dann bin ich ziemlich sicher, dass dies auch in Basel passiert wäre, wenn die Fasnacht stattgefunden hätte.
Soweit kam es nicht. Die Region ist mit einem blauen Auge davongekommen. Die Intensivpflegeplätze der Basler Spitäler waren mit bis zu 17 Covid-Patientinnen und -Patienten auch in der Spitzenzeit nicht einmal zu zwanzig Prozent ausgelastet. Haben Sie damit gerechnet?
Wir hatten es gehofft, aber nicht damit gerechnet. Niemand konnte wissen, wann diese Welle ihren Höhepunkt wo erreichen würde. Aber wir hatten den Vorteil, dass wir beobachten konnten, was im Ausland und in der südlichen Schweiz passiert, so dass die Massnahmen zur richtigen Zeit kamen und auch gegriffen haben. Das war einfach gutes Timing. Andere Länder hatten dieses Glück nicht und damit auch nicht diesen Vorlauf.
Jetzt könnte man auch sagen: Weniger als zwanzig Prozent Auslastung zu Spitzenzeiten auf der Intensivstation. Da waren die Massnahmen schlicht übertrieben.
Nein, das sind sie nicht. Nehmen Sie zum Beispiel Genf. Dort waren 60 Menschen auf der Intensivstation. Niemand hätte voraussagen können, ob es uns nicht so ergeht wie im Tessin, in der Waadt oder in Genf. Wenn man sich darauf nicht vorbereitet hätte, wäre dies verantwortungslos gewesen.
Es gibt aber immer Kritik: Wenn man die Zahl der Todesfälle betrachtet, dann ist dieses Corona-Virus gar nicht so schlimm.
Es kommt drauf an für wen. Wenn man die ganze Bevölkerung betrachtet, ist das Virus vermutlich zehnmal tödlicher als eine Grippe. Bei den Jungen ist das Virus tatsächlich kein Problem, bei der älteren Bevölkerung hingegen sind wir bei einer Sterblichkeit von zehn bis manchmal sogar zwanzig Prozent.
Jetzt scheint es, als ob die erste Welle praktisch vorüber ist. Falls eine zweite Welle kommt, was würden Sie ändern?
Bei der ersten Welle wussten wir nicht, ob wir 80 Patientinnen und Patienten beatmen werden müssen, also eine Art Kriegsmedizin betreiben müssen. Das konnte niemand vorhersagen. Bei der zweiten Welle hoffen wir jetzt, dass wir sehen, wann sie kommt, und dass wir dann Massnahmen ergreifen können, um eine allzu hohe Welle zu verhindern. Wir müssten dann nicht mit solchen Katastrophenszenarien rechnen. Und wir kämen mit einer Intensivstation durch, die wir nur stufenweise hochfahren müssen.