SRF News: Thun ist derzeit nur auf Rang 9 in der Super League – und trotzdem herrscht Ruhe im Verein. Wie machen Sie das?
Andres Gerber: Auf Grund unserer Geschichte, der Tradition und den Möglichkeiten dürfen wir nicht den Anspruch haben, mit dem Abstieg nichts zu tun zu haben. Das müssen wir den Leuten immer wieder bewusst machen. Dann merken sie auch, dass man auch Freude haben haben kann und nicht gleich Panik verbreiten muss.
Ist diese Ruhe bei Ihnen auch ein bisschen gespielt? Sie haben mal gesagt, «Ruhe bewahren ist etwas vom schwierigsten im Fussball».
Am liebsten würde ich sagen, ich bin so ruhig – aber es ist nicht immer so, das muss ich ehrlich zugeben.
Es braucht manchmal enorm viel, gegen aussen ruhig zu wirken.
Vor allem während den Spielen, weil es bei uns immer eng ist. Aber ich weiss einfach, wie wichtig es ist, die Ruhe zu bewahren. Wenn rundherum alle angespannt sind, dann braucht es jemanden, der wenigstens so wirkt, als sei er ruhig.
Thun gilt als der sympathische Aussenseiter in der Liga. Wie fest ist das auch Ihr Verdienst als Gesicht des Vereins?
Ich will diese Verantwortung übernehmen, das hat mir mein früherer Trainer Hanspeter Latour eingeimpft. Vielleicht war ich mir das damals nicht bewusst oder ich war zu bescheiden – und bin es vielleicht auch heute noch.
Vielleicht bin ich heute noch zu bescheiden.
Aber es ist wichtig, dass jemand hinsteht und Verantwortung übernimmt, das braucht es. Aber das muss man auch lernen.
Sie sind seit 2009 Sportchef des FC Thun, Ihre Arbeit weckt auch Begehrlichkeiten bei anderen Vereinen. Was hält Sie hier in Thun?
Ganz viele Sachen. Zuerst mein Privatleben: Ich habe eine Frau und zwei Kinder, ich komme aus der Region und fühle mich als Berner. Ich mag Berge, Natur und den See und habe es gerne gemütlich, ich bin ein gemütlicher Typ.
Ich geniesse gerne das Leben, das kann ich in dieser Region.
Der FC Thun ist mittlerweile auch mein Leben. Und es ist ja nicht so, dass ich am Hungertuch nage und weg muss, ich habe einen anständigen Lohn.
Beim FC Thun geht es auch immer um die Existenz. Fühlen Sie sich auch dafür verantwortlich, dass der Club bestehen bleibt?
Ja das tue ich. Ich weiss, dass ich das nicht sollte oder müsste, aber ich spüre das. Manchmal stresst mich dieser Gedanke auch – dass ich fühle, ich muss eigentlich da bleiben.
Und trotz allen Existenzängsten sagen Sie offen, Sie möchten mit Thun einmal ganz zuoberst stehen. Der Ehrgeiz des Sportlers?
Ja, dazu stehe ich. Das treibt mich an innerlich, ich will immer optimieren, aus den Erfahrungen lernen und aus all dem eines Tages das Optimum herausholen und ganz vorne sein. Diesen natürlichen Ehrgeiz entwickeln wir wohl schon als Kind, das steckt tief in uns drin.
Das Gespräch führte Matthias Haymoz.