Kafkas Werke sind keine leichte Lektüre. Das Stadttheater St. Gallen hat sich jetzt an eine Neuinterpretation seines Romans «Der Prozess» getraut.
Laut Jonas Knecht, Schauspieldirektor am Theater und einer der beiden Regisseure, werde Kafka nicht nur neu interpretiert: «Die Autorin des Stücks, Anita Augustin, hat Kafka nochmals um die Ecke gedacht.»
In der modernen Fassung ist die Hauptfigur Josef Ka Chief Investment Officer und Portfoliomanager bei der Privatbank «Gallus und Söhne». Bei der Geschäftsfeier wird er zum Mitarbeiter des Jahres gekürt. Kurz darauf kommt aber alles anders: Er wird verhaftet - ohne zu erfahren, welches Verbrechen er begangen haben soll. Ka glaubt zuerst an einen üblen Scherz, schliesslich sei er unschuldig. Aber mit der Zeit wird der Prozess immer verzwickter und spielt mit seinem Verstand.
Diese Mischung aus Traum und Realität nimmt das Theater geschickt auf, indem neben Schauspielerinnen und Schauspielern auch Puppen auf der Bühne auftreten. In allen Grössen und Formen lassen sie das Publikum in das Werk von Kafka eintauchen.
Jede Zuschauerin, jeder Zuschauer kann in dem tragisch-komischen Stück einen eigenen Sinn finden. Insbesondere stellt sich die Frage nach Schuld und Moral. Ist Josef Ka am Ende Opfer oder Täter?
Das Schauspiel von Anita Augustin hat am Freitag Premiere. In dieser Inszenierung kommt es zu einer Zusammenarbeit mit der Hochschule für Schauspielkunst ‹Ernst Busch› Berlin.