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Packung Reibkäse.
Legende: Der Reibkäse des Anstosses. SRF

Die unglaubliche Geschichte Wie ein Reibkäse ein Justiztheater auslöste

Eine Packung Reibkäse beschäftige monatelang Anwälte und Richter im Aargau. Lesen Sie hier die unglaubliche Geschichte.

Reibkäse Part I: Es ist ein Frühlingstag im Mai 2016. Ein Rentner tätigt in einer Denner-Filiale in Aarau Einkäufe. 120 Franken bezahlt er an der Kasse, doch dann kommt der Ladendetektiv. Er kontrolliert die Einkaufstasche des Rentners und findet unter der Kartonverstärkung eine Packung Reibkäse (1.95 Franken). Der Rentner muss eine Busse wegen Diebstahls bezahlen und erhält ein Hausverbot für sämtliche Denner-Filialen. Doch das ist erst der Anfang.

Reibkäse Part II: Inzwischen ist Sommer. Der 85-jährige Rentner schlendert durch ein Einkaufszentrum im Nachbardorf. Auch dort hat es eine Denner-Filiale. Und just als er diese passiert, entdeckt ihn derselbe Ladendetektiv. Der Rentner erhält in der Folge Post von der Staatsanwaltschaft mit dem Verdikt: Hausfriedensbruch. Er habe sich auf den grauen Platten der Denner-Filiale aufgehalten statt auf den beigen Platten des Einkaufszentrums.

Der Prozess Part I: Der Rentner – er versteht die Welt inzwischen nicht mehr – akzeptiert den Strafbefehl wegen Hausfriedensbruchs nicht. Der 85-Jährige zieht vor Gericht und dieses spricht ihn auch frei, wie die «Aargauer Zeitung» berichtet. Aber nicht wegen der Frage der beigen oder grauen Bodenplatten, sondern wegen eines Formfehlers. Der Strafantrag ist laut Gericht ungültig. Nur zeichnungsberechtigte Verwaltungsräte oder Geschäftsführer hätten ihn unterschreiben dürfen.

Der Prozess Part II: Zuständiger Staatsanwalt ist Urs Hoppler. Er findet: «Es kann nicht sein, dass Verwaltungsräte Strafanträge unterschreiben müssen.» Auch Leute aus unteren Etagen sollen dazu befugt sein. Die Chefs von Denner, Coop oder Migros hätten schliesslich noch anderes zu tun, als Ladendiebe zu verfolgen. Hoppler zieht den Fall deshalb ans Aargauer Obergericht – und erhält recht.

Abspann: Der 85-jährige Rentner ist nun also rechtskräftig verurteilt wegen Hausfriedensbruchs. Das Justiztheater um eine Packung Reibkäse, einen übereifrigen Ladendetektiv sowie Bodenplatten mit der falschen Farbe kostet ihn nach eigenen Angaben 10'000 Franken. Immerhin: Denner übernimmt die Kosten.

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