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Drogenkonsum bei Jugendlichen Chefarzt Oliver Bilke: «Reine Verbote bringen bei Drogen nichts»

Drogen sind heute einfacher erhältlich - dadurch hat sich der Konsum bei Jugendlichen verändert, sagt der Spezialist.

Das Internet hat den Drogenhandel revolutioniert. Ganze Drogenmenüs lassen sich online anbieten und auswählen, ein paar Tage später landen die gewünschten Substanzen im Briefkasten. Der Gang zum Dealer in der dunklen Gasse ist nicht mehr nötig.

Wie die Luzerner Polizei dabei feststellt, werden die Beteiligten des Drogenhandels immer jünger: Laufende Strafverfahren zeigten, dass bereits Teenager mit Drogen dealten, heisst es auf Anfrage, und auch das Alter der Konsumenten sei gesunken. Die Luzerner Kriminalpolizei will darum Aufklärungsarbeit an den Schulen leisten.

«Es hat sich nicht sehr viel verändert»

Doch wie stark hat sich die Situation tatsächlich zugespitzt? Oliver Bilke, Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Luzerner Psychiatrie, widerspricht dem Bild einer Jugend, die zunehmend den Drogen verfalle. «Entgegen der öffentlichen Meinung hat sich in den letzten Jahren nicht sehr viel geändert», sagt er. «Es gibt immer wieder Zwischenfälle mit Drogen, aber die kommen in Wellenbewegungen, da ist nichts Neues dabei.»

Das Interesse an Drogen sei in der Jugendkultur natürlich vorhanden – einerseits, weil sie der Arbeit und der Leistung viel Bedeutung beimesse und daher Substanzen konsumiere, die die Leistung steigerten, andererseits aber auch, weil es eine Freizeitkultur gebe, wo man Sachen ausprobieren könne.

Drogensüchtig, ohne dass es jemand merkt

Aber, sagt Bilke: «Die Konsumentinnen und Konsumenten sind insgesamt vorsichtiger als früher und versuchen, möglichst sichere Drogen zu sich zu nehmen und sie auch auf sicherem Weg zu bekommen.» Also eher per Velokurier als in einem düsteren Club; auch sei es nicht mehr notwendig, einer bestimmten Szene anzugehören, um an Drogen zu kommen. «Der Drogenkonsum ist sehr viel individueller geworden.»

Was zur Folge habe, dass bei Jugendlichen, die sich geschickt verhielten, niemandem auffalle, dass sie regelmässig Drogen nähmen. Das bedeutet: Unter Umständen merkt niemand, wie ein junger Mann oder eine junge Frau schrittweise drogenabhängig wird. «Für uns als Kinder- und Jugendpsychiatrischer Dienst ist dies das Hauptproblem», sagt Bilke. «Wer kurzfristig etwas ausprobiert, der hat ein gesundheitliches körperliches Risiko. Aber die Risiken der Suchtentwicklung sind am schlimmsten bei Fällen, wo über lange Zeit regelmässig Drogen konsumiert werden.»

Bessere Kommunikation statt Verbote

Reine Verbote würde da aber nichts bringen, ist Chefarzt Oliver Bilke überzeugt. Wichtig sei vielmehr die Kooperation von Lehrern und Eltern: «Eltern stellen seelische Probleme ihrer Kinder relativ spät fest, das zeigen mehrere Studien. Lehrer dagegen merken über das Leistungsthema früh, wenn etwas nicht in Ordnung ist.» Auch Gleichaltrige merkten schnell, wenn ein Kollege oder eine Kollegin Probleme habe – sie getrauten sich häufig aber nicht, dies zu melden. «Die Kommunikation müsste verbessert werden, das wäre effektiver als Verbote.»

Prävention ohne «Junkie von der Bahnhofstoilette»

Präventionskampagnen wie jene, die die Luzerner Polizei plant, begrüsst Oliver Bilke. «Wichtig ist einfach, dass man nicht auf Abschreckung setzt, das bringt nichts. Auch einen Junkie von der Bahnhofstoilette zu holen, ist zwecklos. Da sagen die Jugendlichen: So sind wir gar nicht.»

Sachliche Information in den Schulen, den Lehrbetrieben und der Familie, könne aber durchaus Erfolg haben. Allerdings müssten sie regional abgestimmt sein – schon in Obwalden könne der Drogenmarkt anders aussehen als etwa in Zug.

Regionaljournal Zentralschweiz, 27.8.2020, 17:30 Uhr ; 

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