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Wie Farbige den Rassismus in Basel erleben
Aus Regionaljournal Basel Baselland vom 11.06.2020.
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Dunkelhäutige in Basel «Es kann auch Rassismus sein, wenn man mich ständig anstarrt»

Anouchka Enzingas und William Bejedis Zuhause ist die Musik. In ihrem Alltag in Basel sind sie täglich mit Rassismus konfrontiert.

Polizeigewalt und Rassismus gegenüber Leuten mit einer dunklen Hautfarbe - das beschäftigt nicht nur in den USA, sondern auch hier in der Region. Am letzten Samstag demonstrierten über 5'000 Leute auf dem Barfüsserplatz gegen Rassismus. William Bejedi ist 32 Jahre alt, Frontsänger der Band Klischée und Vater von zwei kleinen Kindern. Anouchka Enzinga ist 23 Jahre alt, tritt in diversen Basler Lokalen als Solokünstlerin auf und studiert am Jazzcampus. Ein Gespräch über Rassismus im Alltag:

Regionaljournal Basel: In den letzten Wochen konnte man in diversen Medien über Polizeigewalt gegen Schwarzen lesen. Nicht nur in den USA, auch hier in der Region. Wie haben Sie die letzten Wochen erlebt?

William Bejedi: Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass dieses Thema in den Fokus geraten ist. Denn ich selber kenne das selber, seit ich klein bin. Auf der anderen Seite fürchte ich mich auch davor, dass Rassismus nun zu einem Modethema wird und nach kurzer Zeit wieder in Vergessenheit gerät.

Anouchka Enzinga: Ich erlebte die letzten Wochen sehr intensiv. Da waren Höhen und Tiefen, psychische und auch physische.

Sie beide sind hier in der Schweiz geboren, aufgewachsen, zur Schule gegangen und leben in Basel. Wie erleben Sie hier Rassismus, in welchen Situationen kommt er vor?

Anouchka Enzinga: Ich erlebe ganz verschiedene Arten von Rassismus in meinem Alltag. Manchmal sprechen mich Leute direkt an und sagen: «Geh doch zurück nach Afrika». Es gibt aber auch eine Art Mikro-Rassismus. Dann zum Beispiel, wenn ich taxiert und angestarrt werde und das sehr unfreundlich. Es ist wichtig, dass die Leute verstehen, dass auch das Rassismus ist, dass Rassismus nicht immer direkt oder verbal ist.

Gerade in Amerika sprechen viele schwarze Eltern mit ihren Söhnen sehr früh darüber, wie Sie sich im Falle einer Polizeikontrolle zu verhalten haben. Kennen Sie solche Gespräche von Zuhause?

William Bejedi: In meiner Familie hat es viele solche Gespräche gegeben. Mein Vater hat mir früh klar gemacht, dass uns die Aussenwelt nicht unbedingt mit offenen Armen empfängt, weil wir eine andere Hautfarbe haben. Die wenigsten wissen, dass wir von unseren Eltern dazu erzogen werden, eine gewisse Aufmerksamkeit für Rassismus zu entwickeln - auch, damit wir nicht in heikle Situation geraten. Stellen Sie sich vor: Als 14-jähriger Junge wurde ich beispielsweise auf meinem Schulweg drei Mal von denselben Polizisten kontrolliert.

Anouchka Enzinga, Sie thematisieren Rassismus auch in Ihrer Musik. Zum Beispiel in Ihrem Lied «Black Fetish». Welche Erlebnisse verarbeiten Sie in diesem Song?

Anouchka Enzinga: Darin schildere ich Erlebnisse, die ich im Ausgang erlebe. Oft werde ich von jungen, weissen Männern als «Mamma Africa» bezeichnet oder aufgefordert, für sie zu tanzen, weil schwarze Frauen ja «so gut tanzen können». Das ist für mich wie negativ angehimmelt zu werden. Ich wehre mich in solchen Situationen und werde dann im Gegenzug aggressiv angegangen. Es heisst dann: «Ich habe dir doch nur ein Kompliment machen wollen.» Was ich in solchen Momenten empfinde, ist schwierig in Worte zu fassen. Das mache ich dann mit meiner Musik, mit dem Rap. Und wenn die Leute das hören, dann fragen sie mich erstaunt: «Ist Dir das wirklich passiert?»

Wie fühlt es sich an, wenn Sie ein solches Lied auf der Bühne aufführen?

Anouchka Enzinga: Es ist für mich immer wieder ein emotionaler Moment. Weil ich kann mich noch so häufig gegen solche Situationen wehren, sie passieren mir trotzdem immer wieder. Ich werde weiter blöd angetanzt oder angegrapscht oder als «Mamma Africa» bezeichnet. Das isch schwer erträglich, weil viele Leute nicht einmal verstehen, was falsch daran ist. Aber mir ist es sehr wichtig, dass ich die Leute mit meinen Erlebnissen konfrontiere. Darum singe ich dieses Lied immer wieder.

George Floyds Tod hat Proteste und Demonstrationen, aber auch Aktionen auf den sozialen Medien ausgelöst. Letzten Dienstag zum Beispiel luden viele Leute ein schwarzes Bild in die sozialen Medien, um ihre Solidarität mit den "People of Color" kundzutun. William Bejedi, Sie haben da bewusst nicht mitgemacht.

William Bejedi: Mich hat die Aktion emotional sehr aufgewühlt. Weil das Thema Rassismus in den letzten Tagen so breit diskutiert wurde, wurde es beinahe zu einer Art Mode, sich dazu zu äussern. Mich hat erschreckt, wie viele Leute da mitgemacht haben, die noch vor einem Jahr diskriminierende Äusserungen gegen mich gemacht haben. Die Glaubwürdigkeit und die Intention dahinter war bei vielen nicht echt.

Was müsste sich ändern, dass sich für Sie etwas verändert?

William Bejedi: Der Wille aufeinander zu zugehen und einander zu verstehen, der ist wichtig. Wenn ich merke, dass eine Person sich wirklich für mich interessiert, dann fühle ich mich nicht angegriffen und erzähle liebend gerne, woher meine Eltern kommen, was für Musik ich mache, oder was mich in meinem Leben beschäftigt. Die Intention der Fragestellung muss einfach positiv sein. Nur so können wir aufeinander zugehen.

Anouchka Enzinga: Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass man viel zum Thema Rassismus liest. Aber nicht nur Bücher von weissen Autoren, die darüber schreiben. Es ist wichtig, auch Bücher von Schwarzen zu lesen, die den Rassismus ja jeden Tag erleben.

Das Gespräch führte Hanna Girard.

Regionaljournal Basel, 17:30;

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