Von der Biologie kann man sich viel abschauen. Jetzt, in der Zeit von Corona, sprechen die Epidemiologen von der Herdenimmunität, welche die Schwachen vor einer Ansteckung schützt. Manager setzen auf Schwarmintelligenz, weil mehr Hirnpotenzial zu besseren Ergebnissen führt. Und die Wirtschaft hat die Evolutionsbiologie entdeckt: Ökosystem-Innovation heisst hier das Zauberwort. Beim international tätigen Technologiekonzern Bühler in Uzwil setzt man auf diese Ökosystem-Innovation.
Eine Schokolade, ein Brot oder Spaghetti. Fast immer steckt in diesen Produkten Technologie des Bühler-Konzerns aus Uzwil. Die Firma Bühler entwickelt nämlich Maschinen zum conchieren der Schokolade, Mühlen für die Getreideverarbeitung oder Druckgussanlagen für die Pasta-Produktion.
Lernen von Startups
Wer in der Wirtschaft an der Weltspitze mithalten will, braucht stets neue Ideen. Bis vor Kurzem tüftelte jeder Konzern im eigenen Versuchslabor – abgeschottet von der Konkurrenz. Bei Bühler in Uzwil geht man den umgekehrten Weg, sagt Marcello Fabbroni, der bei Bühler den Innovation-Hub leitet: «Wir müssen extern gehen, wir müssen Partner ins Haus bringen, wir müssen Startups mit frischen Ideen als Innovationspartner haben.»
Eines dieser Startup-Unternehmen heisst Legria. Wie Bühler ist Legria im Lebensmittel-Bereich tätig. Es macht aus einem Abfallstoff der Brauereien ein Produkt für die Backindustrie, erklärt Mary Olwal: «Wenn man auf Zucker verzichtet – zum Beispiel bei Keksen – dann verliert man Volumen und Süssigkeit. Mit unserem Produkt bringen wir beides zurück.»
Konzerne haben Netzwerke zu bieten
Hier der Weltkonzern Bühler, dort das Kleinunternehmen Legria. Bühler bekommt neue Ideen und lernt vom dynamischen Umfeld des Jungunternehmens. Legria kann vom Wissen des 160 Jahre alten Unternehmens profitieren – und natürlich auch vom Netzwerk – im Fall von Legria sind dies die Brauereien, weil in jedem Bier Technologie von Bühler steckt. Die Betriebsökonomin Mary Olwal bringt es auf den Punkt: «Ich glaube man hat erkannt, dass kleine und grosse Unternehmen nicht alles können. Bei den kleinen Unternehmen fehlt immer das Geld und das Knowhow. Und bei den grossen Unternehmen fehlt die Schnelligkeit.»
Artenreiche Ökosysteme
Das Zusammenspannen von Mitbewerbern bezeichnet man als Ecosystem-Innovation, als Ökosystem-Innovation. Die Idee stammt aus der Evolutionsbiologie. Es geht dabei nicht darum, dass sich der Stärkere durchsetzt, sondern dass sich in einem artenreichen Ökosystem die beste Idee entwickelt.
Ingenieur Marcello Fabbroni, Direktor des Innovation Center bei Bühler, ist deshalb überzeugt, dass die Idee des Ökosystemdenkens für beide Seiten nur Vorteile bringt: «Man ist sehr schnell, man ist flexibel, man kreiert neue Ideen gemeinsam und kann diese dann auch entsprechend schnell weiter fördern und zu einer Innovation bringen.»
«Ökosysteme sind enorm wichtig»
Simon May vom St. Galler Institut für Jungunternehmen begleitet Firmen auf dem Weg in die Selbständigkeit. Auch er beobachtet einen Wandel – weg vom Konkurrenzdenken, hin zu Netzwerkorganisationen: «Ich beurteile diese Ökosysteme als enorm wichtig. Einerseits für erfolgreich nachhaltige Firmengründungen, andererseits gewinnen Grossunternehmen mit solchen Projekten Innovationen, Zugang zu neuen Geschäftsmodellen und, was nicht zu unterschätzen ist, auch zu Talenten, die bei diesen Startups arbeiten.»
Daten über die Zahl der Ökosystem-Innovationsprojekte gibt es nicht. Eine Studie der Universität St.Gallen zeigte kürzlich auf, dass dieses Innovationsdenken zunehmend auch bei etablierten Unternehmen zum Einsatz kommt. So setzen neben Bühler auch die Helvetia-Versicherungen, PricewaterhouseCoopers oder die Swisscom auf das von der Evolutions-Biologie abgeschaute Konzept.