Die grosse Fabrikhalle im Industriequartier von Leuggern steht verlassen in der kahlen Winterlandschaft. Früher fertigten hier Monteure und Mechaniker grosse Stahl-Bauteile – Drucktore und Stauklappen für Wasserkraftwerke oder ganze Metallbrücken. Heute sind die Fabriktore verschlossen, die Lichter im Bürotrakt gelöscht.
Die Firma Erne Metallbau AG existiert nicht mehr. Auf dem Parkplatz stehen zwar noch einige Autos. Es macht fast den Eindruck, als sei ein Aussendienstmitarbeiter noch kurz auf Visite im Büro. Doch auch diese Autos stehen schon lange hier: Sie haben keine Nummernschilder.
Versammlung hinter verschlossenen Türen
Szenenwechsel: Im Propsteisaal in Zurzach finden sich am Mittwochmorgen etwa 70 Personen ein. Es ist nur ein kleiner Teil der Gläubiger der Firma Erne: Über 300 Einladungen hat die Konkursverwaltungsfirma Transliq AG verschickt. Über 300 Firmen und Menschen könnte es also geben, die noch Geld verlangen von der Firma Erne.
Ein Mann mit Aktentasche und Anzug vertritt ein grosses Elektrizitätswerk. Ein Mann im Hemd eine Bürofirma. Er hat wohl offene Rechnungen. Ehemalige Mitarbeitende kommen zum Teil in Freizeitkleidung, zum Teil in Übergewändern. Sie warten auf den Lohn.
Wir haben erst einen summarischen Überblick.
Philipp Possa von der Firma Transliq AG wickelt den Konkurs der Firma Erne im Auftrag des zuständigen Konkursamtes ab. Er informiert an der Versammlung über den aktuellen Verfahrensstand. Journalisten werden nicht zugelassen. Nach der Versammlung sagt Possa: «Wir konnten erst einen sehr summarischen Überblick geben.»
Viele offene Fragen
Possa und seine Mitarbeitenden müssen alle offenen Rechnungen, alle nicht bezahlten Löhne aufnehmen, prüfen, zusammenzählen. Dann müssen sie das Inventar der Firma Erne verkaufen, offene Rechnungen eintreiben, zusammenzählen. Erst dann werden sie wissen, ob das Geld reicht, um Löhne und Rechnungen zu begleichen.
Offen sind auch viele rechtliche Fragen. Die Gespräche mit Mitarbeitenden nach der Gläubigerversammlung lassen den Schluss zu, dass viele ihre ehemaligen Chefs für den Konkurs der Firma verantwortlich machen. Die alte Führungsriege hatte sich gemäss Medienberichten bei einem Grossauftrag verkalkuliert.
Die neue Führungsriege hatte sich selber kurz vor dem Konkurs das Firmengebäude in Leuggern verkauft. Man wollte damit eine neue Firma starten – doch der Deal zwischen Firmenchefs und Konkursamt platzte.
«Es ist die Aufgabe des Konkursverwalters, auch rechtliche Schritte, Verantwortlichkeiten zu prüfen», sagt Philipp Possa an die Adresse der erbosten Mitarbeiter. Ja, er sei als Konkursverwalter auch schon vor Gericht gezogen. Aber ob das im Fall Erne notwendig oder angezeigt sei, das bleibt offen.
Hoffnung bei ehemaligen Mitarbeitenden
Viel Neues haben die ehemaligen Erne-Angestellten an der ersten Gläubigerversammlung am Mittwoch also nicht erfahren. Viele sind erst gar nicht zum Termin erschienen. Das sei normal, sagt eine Transliq-Angestellte: Wer schon eine neue Stelle habe, der komme selten an die Gläubigerversammlung des alten Arbeitgebers.
Die ehemaligen Erne-Leute erzählen nicht viel. Es sei zu emotional, um darüber zu reden, meint einer. Er glaube schon, dass er wieder einen Job finde, sagt ein anderer. Am Nachmittag habe er noch ein Bewerbungsgespräch. Allerdings nervt er sich, dass er auf Anweisung des Regionalen Arbeitsvermittlungszentrums mindestens zwölf Bewerbungen schreiben müsse. Auch auf Stellen, die er gar nicht wolle.
Das müssen jetzt die Studierten regeln.
«Ich verstehe das alles sowieso nicht. Das müssten jetzt die Studierten regeln», sagt ein weiterer Mitarbeiter auf dem Weg aus dem Versammlungssaal. Philipp Possa macht den Angestellten Hoffnung. Ja, er glaube, dass die ehemaligen Mitarbeiter etwas Geld aus der Konkursmasse erhalten. Aber: «Wie hoch und wie viel, das können wir heute nicht sagen.»
Das Konkursverfahren dürfte sich noch über Monate hinziehen. Es sei für ihn ein «mittelgrosser Fall», sagt Possa, der Profi-Konkursverwalter. Man werde jetzt so schnell wie möglich mit der «Verwertung» des Inventars der Firma Erne beginnen. Maschinen und Büromöbel im verlassenen Fabrikgebäude in Leuggern werden wohl demnächst unter den Hammer kommen.
Und die Autos ohne Nummernschilder auf dem Parkplatz. «Ja, die gehören auch zur Konkursmasse. Die wollen wir im Rahmen der Verwertung ebenfalls verkaufen.»