Eine Entscheidung im ersten Wahlgang wäre die grösste Überraschung. Denn alle Kandidatinnen für den St. Galler Ständeratssitz sind im Nationalrat und über den Kanton hinaus bekannt. Dass eine Kandidatin im ersten Wahlgang das absolute Mehr erreicht, ist unwahrscheinlich.
Trotzdem wird der erste Wahlgang spannend. Die Stimmen entscheiden über die Ausgangslage für den zweiten Wahlgang. Die Frage ist: Wer bleibt nach dem 12. März im Rennen? Wer scheidet aus?
Die offiziellen Kandidatinnen sind Esther Friedli (SVP), Barbara Gysi (SP), Franziska Ryser (Grüne) und Susanne Vincenz-Stauffacher (FDP). Gysi und Ryser trafen eine Abmachung, dass sich jene mit dem schlechteren Resultat nach dem ersten Wahlgang zurückzieht. Auf bürgerlicher Seite gibt es keine Abmachung, Friedli will sich aber laut eigenen Angaben zurückziehen, sollte sie weniger Stimmen als Vincenz-Stauffacher erzielen.
Wer sind die vier Kandidatinnen?
Esther Friedli will für die SVP in den Ständerat. Noch nie ist der stärksten St. Galler Partei der Sprung ins Stöckli gelungen.
Friedli setzt auf Themen wie Versorgungssicherheit, Neutralität und Unabhängigkeit. Als Programmchefin der SVP wehrt sie sich auch gegen den «Woke-Wahnsinn».
Zur Biodiversität sagt sie: «Die Bauernfamilien sind eigentlich die richtigen Grünen. Sie wissen: Wenn wir zum Land Sorge tragen, wenn wir zu unseren Tieren Sorge tragen, dann gibt es auch einen guten Ertrag.»
Franziska Ryser soll den Sitz für die Grünen holen. Auch die Grünen hatten im Kanton noch nie einen Ständerat.
2019 wurde Ryser in den Nationalrat gewählt. Zuvor politisierte sie sieben Jahre lang im St. Galler Stadtparlament. Sie setzt auf grüne Themen wie Nachhaltigkeit und Klimaschutz – als Verwaltungsratspräsidentin des Familienunternehmens sind ihr auch Wirtschaftsthemen wichtig.
Zu den Unterschieden zu Barbara Gysi sagte Ryser: «Ich bringe die Perspektive der jüngeren Generation mit. Es gibt auch Differenzen, wenn es um wirtschaftspolitische Fragen geht: Dort habe ich eine etwas andere Perspektive als Barbara Gysi.»
Susanne Vincenz-Stauffacher ist für die FDP im Rennen. Sie soll den Bürgerlichen den zweiten Sitz im Ständerat zurückholen.
Rahmenabkommen, Versorgungssicherheit, Individualbesteuerung: Vincenz-Stauffacher politisiert auf der Parteilinie, auch wenn Gegner oft behaupten, sie sei zu links. Sie ist seit 2019 im Nationalrat und zudem Präsidentin der FDP-Frauen Schweiz.
Vincenz-Stauffacher sagte zur Individualbesteuerung: «Die braucht es meines Erachtens dringend. Zum einen für die Abschaffung der Heiratsstrafe, zum anderen soll es sich lohnen, arbeiten zu gehen – gerade für Frauen.»
Barbara Gysi soll für die SP den Sitz verteidigen. Kein leichtes Unterfangen, denn bürgerliche Angriffe wurden während der Zeit von Paul Rechsteiner zwar immer abgewehrt, teils aber nur knapp.
Politisch vertritt Gysi die gleiche Linie wie Rechsteiner. Die Gewerkschafterin, Nationalrätin und frühere Wiler Stadträtin setzt sich für faire Löhne und eine gut funktionierende Gesundheitsversorgung ein.
Gysi sagte: «Meine grosse politische Erfahrung auf allen Ebenen lässt mich eigentlich unter allen Kandidatinnen herausstechen. Aber auch mein sozial- und gesundheitspolitisches Engagement.»
Wer den zweiten St. Galler Ständeratssitz neben Benedikt Würth (Mitte) holt, wird wohl erst im April entschieden. Der Sitz wird frei, weil Paul Rechsteiner im letzten Oktober seinen Rücktritt bekannt gab.