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Experte zur Spitex-Affäre «Solche Saläre sind schon ziemlich erstaunlich»

An der Spitze der Spitex Bern und Seeland lief es in der Vergangenheit alles andere als rund: Die Honorare der Verwaltungsratsmitglieder sowie eines Geschäftsleiters waren laut einem Bericht viel höher als bei vergleichbaren Institutionen.

Markus Gmür, Dozent an der Universität Freiburg, hat 160 öffentliche Spitex-Organisationen untersucht – und sagt, dass bei Non-Profit-Organisationen schnell weggeschaut werde.

Markus Gmür

Forschungsdirektor des Verbandsmanagement-Instituts der Universität Freiburg

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Der 1963 geborene Markus Gmür widmet sich unter anderem Personal- und Organisationsfragen in Verbänden und anderen Non-Profit-Organisationen. Der Wirtschaftswissenschaftler ist Professor für NPO-Management an der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Freiburg. Er ist Direktor des Instituts für Verbands-, Stiftungs- und Genossenschaftsmanagement (VMI).

SRF News: Ein Lohn von rund 200'000 Franken bei der Spitex angestellt: Ist das bei einer gemeinnützigen Organisation gerechtfertigt?

Markus Gmür: Wenn es bei der Stelle um die Geschäftsleitung geht und es werden 200'000 Franken bezahlt dafür, dann ist das für eine mittelgrosse Organisation nicht jenseits aller Normen.

Man muss den Unterschied zwischen unternehmerisch und gewinnorientiert verstehen.

Aber es ist durchaus üblich, dass Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer von Non-Profit-Organisationen oder Hilfswerken solche Löhne beziehen. Die Frage ist allerdings: Handelt es sich dabei um die Funktion als Geschäftsleitung oder um eine Aufsichtstätigkeit – wie zum Beispiel als Verwaltungsrat. Bei letzterem wäre ein solches Salär ziemlich erstaunlich.

Wie passen ein gemeinnütziger Auftrag und eine gewinnorientierte Unternehmensführung zusammen? Ist das nicht ein Widerspruch, wenn es sich dabei um eine Non-Profit-Organisation handelt?

Da ist es wichtig, den Unterschied zwischen «unternehmerisch» und «gewinnorientiert» zu verstehen. Wenn man unternehmerisch orientiert ist, handelt man vorausschauend, bemüht sich um Innovation, geht Risiken ein – das hat also per se nichts mit Gewinnorientierung zu tun. Auf der anderen Seite muss man sich lösen vom traditionellen Bild, das man von einer gemeinnützigen Organisation hat.

Es besteht die Gefahr, dass man sagt, ‹das wird schon recht sein›.

Heute versteht man gemeinnützig anders. Das können auch Organisationen sein, die Probleme der Gesellschaft lösen wollen und nicht primär auf Gewinn aus sind – und trotzdem damit Geld verdienen. Man kann also – mit oder ohne Gewinn – einen gemeinnützigen Zweck verfolgen.

Wenn man die Spitex Bern und Seeland betrachtet: Wie waren diese Verfehlungen möglich?

Ich glaube, das ist eine Frage der Kontrollmechanismen innerhalb der Organisationen. Die Organisation ist gewachsen, hat dadurch wahrscheinlich mehr Ressourcen aufgebaut und dann stellt sich die Frage: Was macht man damit?

Also hat niemand genau hingeschaut?

Wenn man das von aussen betrachtet, könnte man das vermuten. Vielleicht hatten alle das Gefühl, dass alles gut läuft, solange keine ernsten Probleme auftauchen und der Leistungsauftrag erfüllt werden kann. Im Sektor der Non-Profit-Organisationen besteht wirklich die Tendenz oder sogar die Gefahr, dass man sagt, «das wird schon recht sein».

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