Prostitution und Heilsarmee: das will in vielen Köpfen nicht so recht zusammenpassen. Anders sieht das Rahel Waehry. Die 33-Jährige ist seit vier Jahren im Berner Sexgewerbe unterwegs, für die Organisation Rahab. Ein Angebot – eben – der Heilsarmee.
Trotz des christlichen Hintergrunds sie sei nicht als Moral-Apostel unterwegs, sagt Rahel Waehry. Sie wolle nicht missionieren und auch nicht davon überzeugen, mit etwas anderem das Geld zu verdienen. Ihr gehe es bei den Besuchen darum, den Frauen Wertschätzung entgegenzubringen. Wenn die Sexarbeiterinnen keinen Besuch wünschten, respektiere man dies.
Eine gewisse Skepsis gegenüber solchen Angeboten hat Christa Ammann. Sie leitet die Berner Fachstelle Xenia, die seit 35 Jahren Sexarbeitende berät.
SRF News: Was halten Sie vom Engagement von Rahab?
Christa Ammann: Wir haben festgestellt, dass es im ganzen Kanton Bern in den letzten zwei Jahren eine massive Zunahme von freikirchlichen Angeboten gegeben hat, die im Milieu unterwegs sind. Und wir hören von den Sexarbeiterinnen, dass die Qualitätsunterschiede massiv sind. Häufig können wir nicht herausfinden, wer genau hinter den einzelnen Angeboten steckt, weil die Sexarbeiterinnen einfach nur wissen, dass es jemand von der Kirche war.
Die Qualität der freikirchlichen Angebote unterscheidet sich massiv.
Unterschiedliche Qualität – wie meinen Sie das?
Es fragt sich, ob die Freiwilligen wissen, wo ihre Grenzen liegen: Was sie können, was sie bieten, was sie versprechen können. Und es stellt sich auch die Frage, warum sie überhaupt im Milieu unterwegs sind. Missionieren sie oder nicht? Halten sie sich an die Schweigepflicht? Und wie gehen sie mit den Informationen, den Kontaktdaten um, wenn sie sich mal nicht mehr für diese Organisation engagieren?
Die Leiterin von Rahab Bern sagt klar, sie würden nicht missionieren. Trauen Sie dieser Ansage also nicht ganz?
Diese Aussage nehmen wir zur Kenntnis. Wir beobachten die Situation kritisch, weil derzeit so viele Leute unterwegs sind.
Ist Rahab eine Konkurrenz für Xenia?
Rein vom Angebot her nicht. Aber wir stellen fest, dass wir seit der deutlichen Zunahme an Angeboten viel Zeit verlieren, um zuerst einmal zu erklären, wer wir sind, was wir tun und was nicht. Das erschwert unsere Arbeit schon.
Wir verlieren viel Zeit, um zu erklären, was wir tun und was nicht. Das erschwert uns die Arbeit.
Mir scheint, Sie stehen diesem Angebot recht skeptisch gegenüber. Braucht es Rahab in Ihren Augen gar nicht?
Es ist nicht an mir zu beurteilen, ob es das braucht. Wichtig ist einfach, dass die Sexarbeiterinnen wissen, mit wem sie es zu tun haben, dass sie wissen, dass es ein freiwilliges Angebot ist. Aber grundsätzlich treffen da zwei erwachsene Menschen aufeinander. Und es ist ihnen überlassen, ob sie miteinander reden wollen oder nicht.
Das Gespräch führte Brigitte Mader.