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Finanzausgleich im Aargau In vielen Gemeinden sind tiefere Steuern ein Wunschtraum: Warum?

Im Februar hat das Stimmvolk den neuen Finanzausgleich angenommen. Versprochen wurden tiefere Steuern in den Gemeinden. Die Realität ist eine andere.

Seengen, Strengelbach oder Schupfart: In diesen drei Gemeinden wird Realität, was im Abstimmungskampf versprochen wurde. Der Steuerfuss sinkt um 3 Prozentpunkte ab 2018. So haben es die Budget-Gemeindeversammlungen in den letzten Tagen entschieden.

Kaisten, Kaiserstuhl oder Klingnau: Hier wird das Versprechen nicht gehalten. Die Steuerfüsse bleiben gleich oder steigen sogar. Von welchem Versprechen ist hier die Rede?

Der «Steuerfussabtausch» bleibt Wunschdenken

Es geht um den neuen Lasten- und Finanzausgleich im Kanton Aargau. Diesen hatte das Stimmvolk am 12. Februar 2017 gegen den Willen der kleinen Landgemeinden angenommen. Kernpunkt: Der Kanton übernimmt von den Gemeinden gewisse Aufgaben – zum Beispiel Lehrerlöhne oder Kosten für den öffentlichen Verkehr.

Das führt zu Mehrkosten beim Kanton von rund 70 Millionen Franken. Deshalb erhöht der Kanton den kantonalen Steuerfuss ab 2018 um 3 Prozentpunkte. Ein «Steuerfussabtausch» sollte dafür sorgen, dass die Bevölkerung trotzdem nicht stärker belastet wird finanziell. Die Gemeinden ihrerseits sollten ihre Steuerfüsse um diese 3 Prozentpunkte senken.

Allerdings: Viele Gemeinden tun das nicht. Eine Auswertung von SRF zeigt: Gut 40 Aargauer Gemeinden haben in den letzten zwei Wochen an ihren Budget-Gemeindeversammlungen über die Steuerfüsse für 2018 entschieden. Von diesen gut 40 Gemeinden hat rund die Hälfte die Steuern gesenkt.

Quer durch den Kanton werden Steuern erhöht

Die andere Hälfte aber hat die Steuern erhöht oder den Steuerfuss so belassen wie bisher – was einer Steuererhöhung um diese 3 Prozentpunkte gleichkommt. Zu diesen Gemeinden gehören unter anderem Bad Zurzach, Dottikon, Leuggern, Ehrendingen, Fahrwangen, Döttingen, Möhlin, Turgi, Villigen, Frick, Niederrohrdorf, Uerkheim oder Gontenschwil.

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Legende: Roger Fricker will in Oberhof den Steuerfuss von 120 auf 125 Prozent anheben. Nur so könne man Investitionen bezahlen. SRF

Der SVP-Gemeindeammann von Oberhof im Fricktal, Roger Fricker, fühlt sich durch diese Zahlen bestätigt. Er hatte den neuen Lasten- und Finanzausgleich bekämpft. «Wer die Wirtschaftslage beobachtet, der sah das kommen», erklärt Fricker gegenüber SRF. «Die Spitalfinanzierung kostet mehr, die Soziallasten steigen und die Steuereinnahmen kommen nicht mehr so, wie sie einmal gekommen sind.»

Ich habe das kommen sehen.
Autor: Roger Fricker (SVP) Gemeindeammann Oberhof
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Legende: Heidi Ammon kann in Windisch die Steuern um 3 Prozentpunkte senken. Allerdings stehen auch hier neue Investitionen an. SRF

Auch SVP-Gemeindepräsidentin Heidi Ammon aus Windisch begründet die Steuererhöhungen in vielen Gemeinden mit der aktuellen Wirtschaftslage. Sie hatte vor der Abstimmung auf der Befürworterseite gekämpft. Vor allem Firmensteuern fehlten aktuell, erklärt sie.

Viele Gemeinden haben zugewartet.
Autor: Heidi Ammon (SVP) Gemeindepräsidentin Windisch

Zudem aber glaubt Ammon, dass viele Gemeinden ihre Steuern so oder so erhöht hätten. «Die Gemeinden haben zugewartet», sagt Ammonn. Erst jetzt lägen konkrete Zahlen vor, wie sich der neue Finanzausgleich auswirke. Erst jetzt habe man deshalb die Steuererhöhungen fundiert begründen können.

Stadt gegen Land

Box aufklappen Box zuklappen

Windisch und andere Agglomerationsgemeinden profitieren vom neuen Finanzausgleich, in Oberhof sinken die Beiträge hingegen. Kleine Gemeinden kommen schlechter davon. Eine Begleitgruppe soll deshalb prüfen, wie sich das neue System bei diesen Gemeinden auswirkt. «Das wissen wir erst in ein paar Jahren», sagt Roger Fricker.

Und Heidi Ammon stellt auch für die Zukunft höhere Steuern in Aussicht, zumindest in ihrer Gemeinde. Trotz Finanzausgleich werde man wohl wieder über den Steuerfuss diskutieren müssen, wenn dereinst neue Schulhaus-Projekte anstünden, sagt sie.

Ursache «gebundene Ausgaben»?

Einigkeit herrscht bei den beiden SVP-Kontrahenten in der Frage, weshalb die Gemeinden finanziell so in Bedrängnis sind. Steigende Sozialausgaben, Mehrkosten für Kinderbetreuung und Gesundheitssystem belasteten die laufenden Rechnungen, sagen beide.

«75 bis 80 Prozent der Kosten können wir nicht beeinflussen», sagt Heidi Ammon. Roger Fricker vermutet für sein Dorf sogar einen noch höheren Anteil. Deshalb sei es wichtig, dass sich die Gemeinden in die kantonale Politik einmischen, finden beide Gemeindeoberhäupter.

Kommunikation ist transparent

Einigkeit herrscht übrigens auch in einem anderen Punkt: Die Gemeinden kommunizieren den fehlenden Steuerfussabtausch korrekt. Eine «Nullrunde» beim Steuerfuss werde überall korrekt als «Steuererhöhung um 3 Prozentpunkte» ausgewiesen, sagen Ammon und Fricker.

«Wenn ein Gemeinderat erklärt, weshalb man die Steuern erhöhen muss, dann versteht das Volk das auch», sagt Fricker. Denn es ist klar: Alle diese Steuerfüsse wurden demokratisch bestimmt, von Gemeindeversammlungen offiziell abgesegnet.

Fazit: Eine Steuersenkung auf breiter Front in den Aargauer Gemeinden ist und war offenbar eine Illusion. Nur wurde das vor der Abstimmung im Februar nicht überall und immer so deutlich gesagt wie jetzt.

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