Seengen, Strengelbach oder Schupfart: In diesen drei Gemeinden wird Realität, was im Abstimmungskampf versprochen wurde. Der Steuerfuss sinkt um 3 Prozentpunkte ab 2018. So haben es die Budget-Gemeindeversammlungen in den letzten Tagen entschieden.
Kaisten, Kaiserstuhl oder Klingnau: Hier wird das Versprechen nicht gehalten. Die Steuerfüsse bleiben gleich oder steigen sogar. Von welchem Versprechen ist hier die Rede?
Der «Steuerfussabtausch» bleibt Wunschdenken
Es geht um den neuen Lasten- und Finanzausgleich im Kanton Aargau. Diesen hatte das Stimmvolk am 12. Februar 2017 gegen den Willen der kleinen Landgemeinden angenommen. Kernpunkt: Der Kanton übernimmt von den Gemeinden gewisse Aufgaben – zum Beispiel Lehrerlöhne oder Kosten für den öffentlichen Verkehr.
Das führt zu Mehrkosten beim Kanton von rund 70 Millionen Franken. Deshalb erhöht der Kanton den kantonalen Steuerfuss ab 2018 um 3 Prozentpunkte. Ein «Steuerfussabtausch» sollte dafür sorgen, dass die Bevölkerung trotzdem nicht stärker belastet wird finanziell. Die Gemeinden ihrerseits sollten ihre Steuerfüsse um diese 3 Prozentpunkte senken.
Allerdings: Viele Gemeinden tun das nicht. Eine Auswertung von SRF zeigt: Gut 40 Aargauer Gemeinden haben in den letzten zwei Wochen an ihren Budget-Gemeindeversammlungen über die Steuerfüsse für 2018 entschieden. Von diesen gut 40 Gemeinden hat rund die Hälfte die Steuern gesenkt.
Quer durch den Kanton werden Steuern erhöht
Die andere Hälfte aber hat die Steuern erhöht oder den Steuerfuss so belassen wie bisher – was einer Steuererhöhung um diese 3 Prozentpunkte gleichkommt. Zu diesen Gemeinden gehören unter anderem Bad Zurzach, Dottikon, Leuggern, Ehrendingen, Fahrwangen, Döttingen, Möhlin, Turgi, Villigen, Frick, Niederrohrdorf, Uerkheim oder Gontenschwil.
Der SVP-Gemeindeammann von Oberhof im Fricktal, Roger Fricker, fühlt sich durch diese Zahlen bestätigt. Er hatte den neuen Lasten- und Finanzausgleich bekämpft. «Wer die Wirtschaftslage beobachtet, der sah das kommen», erklärt Fricker gegenüber SRF. «Die Spitalfinanzierung kostet mehr, die Soziallasten steigen und die Steuereinnahmen kommen nicht mehr so, wie sie einmal gekommen sind.»
Ich habe das kommen sehen.
Auch SVP-Gemeindepräsidentin Heidi Ammon aus Windisch begründet die Steuererhöhungen in vielen Gemeinden mit der aktuellen Wirtschaftslage. Sie hatte vor der Abstimmung auf der Befürworterseite gekämpft. Vor allem Firmensteuern fehlten aktuell, erklärt sie.
Viele Gemeinden haben zugewartet.
Zudem aber glaubt Ammon, dass viele Gemeinden ihre Steuern so oder so erhöht hätten. «Die Gemeinden haben zugewartet», sagt Ammonn. Erst jetzt lägen konkrete Zahlen vor, wie sich der neue Finanzausgleich auswirke. Erst jetzt habe man deshalb die Steuererhöhungen fundiert begründen können.
Und Heidi Ammon stellt auch für die Zukunft höhere Steuern in Aussicht, zumindest in ihrer Gemeinde. Trotz Finanzausgleich werde man wohl wieder über den Steuerfuss diskutieren müssen, wenn dereinst neue Schulhaus-Projekte anstünden, sagt sie.
Ursache «gebundene Ausgaben»?
Einigkeit herrscht bei den beiden SVP-Kontrahenten in der Frage, weshalb die Gemeinden finanziell so in Bedrängnis sind. Steigende Sozialausgaben, Mehrkosten für Kinderbetreuung und Gesundheitssystem belasteten die laufenden Rechnungen, sagen beide.
«75 bis 80 Prozent der Kosten können wir nicht beeinflussen», sagt Heidi Ammon. Roger Fricker vermutet für sein Dorf sogar einen noch höheren Anteil. Deshalb sei es wichtig, dass sich die Gemeinden in die kantonale Politik einmischen, finden beide Gemeindeoberhäupter.
Kommunikation ist transparent
Einigkeit herrscht übrigens auch in einem anderen Punkt: Die Gemeinden kommunizieren den fehlenden Steuerfussabtausch korrekt. Eine «Nullrunde» beim Steuerfuss werde überall korrekt als «Steuererhöhung um 3 Prozentpunkte» ausgewiesen, sagen Ammon und Fricker.
«Wenn ein Gemeinderat erklärt, weshalb man die Steuern erhöhen muss, dann versteht das Volk das auch», sagt Fricker. Denn es ist klar: Alle diese Steuerfüsse wurden demokratisch bestimmt, von Gemeindeversammlungen offiziell abgesegnet.
Fazit: Eine Steuersenkung auf breiter Front in den Aargauer Gemeinden ist und war offenbar eine Illusion. Nur wurde das vor der Abstimmung im Februar nicht überall und immer so deutlich gesagt wie jetzt.