Immer öfter sind Ärztinnen und Ärzte mit Frauen konfrontiert, die beschnitten sind. Meistens handelt es sich dabei um Flüchtlings-Frauen aus afrikanischen Ländern, in denen Beschneidungen zwar keinen religiösen Hintergrund, aber oft eine langjährige Tradition haben. In der Frauenklinik am Luzerner Kantonsspital gibt es nun eine Frachgruppe, die sich für einen neuen Umgang mit beschnittenen Frauen einsetzt. In dieser Fachgruppe engagieren sich unter anderen die beiden Leitenden Ärtzinnen Corina Christmann und Sina Meili.
SRF News: In welchen Situationen bei der Arbeit sind Sie mit dem Thema Beschneidung konfrontiert?
Corina Christmann/Sina Meili: Zum Beispiel in der Sprechstunde, wenn man eine Frau untersucht, und eigentlich ein anderes Thema im Vordergrund steht, zum Beispiel Bauchweh. Man stellt fest, dass eine Untersuchung schwierig ist, da der Scheideneingang sehr eng ist. Da muss man schauen, wie die Untersuchung stattfinden kann. Oder bei einer Geburt.
Wie reagieren Sie dann?
Häufig gibt es auch Verständigungsprobleme und wenn der Mann dabei ist und als Übersetzer fungiert, gibt es oft zusätzliche Verständnisprobleme. Man muss z.B. auch besprechen, was man macht, wenn das Kind mit dem Kopf nicht raus kommt, dann ist vielleicht ein Schnitt erforderlich. Viele wollen dann, dass man danach wieder zunäht. Aber das machen wir nicht, das ist vom Gesetz her verboten.
Wenn ein Kind mit dem Kopf unten gar nicht rauskommt, muss man halt aufschneiden.
Wird das gewünscht?
Das lässt sich nicht allgemein sagen. Viele Frauen sind froh, wenn die Naht aufreisst unter der Geburt. Und auch die Männer nehmen wahr, dass ihre Frau aufgrund der Beschneidung zusätzliche Schmerzen hat, und wollen ihr helfen. Ich habe ganz selten erlebt, dass ein Mann will, dass die Scheide wieder eng zugenäht wird. Es ist aber wichtig, dass man schon vor einer Geburt über dieses Thema spricht und auch die Männer mit einbezieht.
Was ist ihr Ziel mit der Fachgruppe an der Frauenklinik, wie stellen Sie sich die Situation in ein paar Jahren vor?
Wir wollen Frauen, welche beschnitten sind, eine gute Betreuung auf ganzer Linie anbieten. Dass sie eine Anlaufstelle haben, medizinisch und psychologisch. Damit auch junge Mädchen, die merken, dass bei ihnen etwas anders ist, wissen, dass es einen Ort gibt, an den sie sich wenden können.
Das Gespräch führte Julia Stirnimann. Die vollständige Version ist im Audio zu hören.