Niemals hätte sich Michael Luisier vorgestellt, dass sein Ende als Fasnachtsberichterstatter mit jenem Jahr zusammenfallen wird, an dem es keine Fasnacht gibt. Doch der Fall ist eingetreten.
Wie hat er die abgesagte Fasnacht erlebt, und was wünscht er sich für die kommenden Ausgaben. Darüber diskutieren wir mit ihm - er ist unser Freitagsgast.
Regionaljournal Basel: Was war Ihre Reaktion, als sie am vergangenen Freitag hörten, dass die Fasnacht abgesagt sei?
Michael Luisier: Es war zuerst einmal ein grosser Schock. Als Berichterstatter bereite ich mich ja vor. Ich weiss im Wesentlichen, wo was wann stattfindet. Das war plötzlich alles Makulatur, und ich musste mir überlegen, wo ich die Geschichten für den Querschnitt herbekomme, notabene über eine Fasnacht, die gar nicht stattfindet.
War es schwierig, diese Fasnachtsgeschichten zu finden?
Nein, das war es nicht. Es fand ja ständig überall irgendetwas statt. Zudem: Nach 17 Jahren als Berichterstatter habe ich viele Kontakte knüpfen können. Ich erhielt ständig sms von Bekannten mit Hinweisen auf grössere und kleinere Anlässe.
Was wird im diesjährigen Querschnitt über die Fasnacht zu hören sein, die nicht stattfand?
Man hört das grosse Hin und Her im Vorfeld der Fasnacht. Man kriegt mit, mit welchem Ernst die Fasnächtler darüber diskutieren, ob sie Fasnacht machen sollen oder nicht. Das hat mich selber etwas überrascht, diese Ernsthaftigkeit, mit der diskutiert wurde.
Was war einer der stärksten Momente, den sie erlebt haben?
Es gab mehrere Momente. Aber sicher einer der berührendsten war die Latärnli-Beerdigung der Basler Mittwochsgesellsschaft BMG. Am Mittwochabend, quasi gegen Fasnachtsschluss, verbrennen sie immer ein Latärnli, um ihrer verstorbenen Mitglieder zu gedenken. Dieses Jahr haben sie es auch gemacht, aber ohne Larven, ohne Kostüme. Das hatte etwas sehr eindrückliches, beinahe mystisches.
Wenn die Fasnacht stattgefunden hätte, was hätte es für eine Ausgabe gegeben?
Ich denke, sie wäre ohnehin sehr nachdenklich geworden. Viele Cliquen wählten ja das Thema Klimawandel. Da kann man auch nur beschränkt darüber scherzen.
Haben Sie etwas gelernt aus dieser Fasnacht, die nicht richtig stattfand?
Ich habe seit ein paar Jahren das Gefühl, dass die Luft etwas draussen ist. Die Fasnacht ist ein bisschen zu einem Ritual verkommen. Doch die zum Teil sehr heftigen Diskussionen darüber, ob man mitmachen soll oder nicht, haben mir gezeigt, dass die Fasnacht trotz ihres Formtiefs immer noch sehr wichtig ist für diese Stadt.
Erhoffen Sie sich also neuen Schwung für die nächste Ausgabe?
Ja, das hoffe ich. Vielleicht ein neues 1946. Damals startete die Fasnacht nach 6 Jahren Unterbruch wegen des 2. Weltkrieges wieder. Ich war nicht dabei, da ich zu jung bin. Aber was man so lesen kann, zeigt, dass ein wirklich grosser Ruck durch die ursprünglich sehr kleine Fasnacht ging. Dieser Schwung von damals hielt bis etwa zur Jahrtausendwende. Alle wollten Fasnacht machen, es gab immer mehr Cliquén, immer mehr Leute kamen zum Cortège. Wegen des Generationenwechsels verlor sich vielleicht das alte Wissen um 1946, und vielleicht ist die Fasnacht deshalb in den vergangenen Jahren etwas ritualisiert daher gekommen. Der diesjährige Unterbruch könnte neuen Schwung bringen.
Wünschen Sie sich auch, dass sie wieder frecher wird?
Ja, unbedingt. Heute ist sie doch recht zahm.
Das Gespräch führte Marlène Sandrin
.