Zum Inhalt springen

Gansabhauet in Sursee Zum ersten Mal holt eine Frau die Gans herunter

In Sursee fand am Donnerstag die traditionelle Gansabhauet statt. Schlägerinnen und Schläger versuchen dabei, einer toten Gans den Kopf vom Leib zu trennen. Die Kritik ist gross: Das Spektakel verletze die Würde des Tieres.

Die Spannung auf dem Rathausplatz ist geradezu greifbar. Tausende erwartungsvolle Augenpaare sind auf die leblose Gans gerichtet. Ein harter, präzis ausgeführter Säbelschlag durchtrennt ihren Hals. Tosender Applaus. Die Gansabhauet in Sursee ist wahrlich nichts für zart besaitete Gemüter.

Kritik von Tierschützern

Jedes Jahr regen sich Tierschützer über das archaische Brauchtum auf. Im Internet hagelt es gehässige Kommentare. Und in der Stadt Sursee gehen unzählige Beschwerdebriefe ein. Der Tenor: Das Spiel mit toten Tieren sei schändlich. Ein Überbleibsel aus primitiver Zeit.

Ins gleiche Horn bläst Antoine Goetschel. Der ehemalige Tieranwalt des Kantons Zürich sagt, er könne die Faszination der Gansabhauet durchaus nachvollziehen. Trotzdem: «Es gehört nicht ins Jahr 2020. Wir haben die Würde der Kreatur in der Verfassung verankert. Man sollte diesen Brauch überdenken.» Es sei Zeit für eine Modernisierung, für eine zeitgemässe Gansabhauet.

Gansabhauet ohne Gans?

Michael Blatter, Präsident der Gansabhauet-Kommission, sieht dies anders. Für ihn handelt es sich bei diesem Brauch nicht um Respektlosigkeit gegenüber dem Tier. Vielmehr zeuge er von grosser Wertschätzung: «Die Gans ist seit jeher ein wertvolles Tier – und dies soll gewürdigt werden. Deshalb steht sie seit dem Mittelalter im Zentrum des Anlasses.»

Eine Frau im roten Mantel hält eine tote Gans, daneben ein kostümierter Mann mit Sonnenmaske.
Legende: Als erste Frau hat Aline Theiler die Gans an der Gansabhauet in Sursee runter geschlagen. Keystone

Eine Absage erteilt Blatter auch an mögliche Modernisierungsversuche: «Eine Gansabhauet ohne Gans, das kommt im Moment nicht infrage. Solange sich die Surseerinnen und Surseer das Spektakel anschauen, hat es seine Berechtigung.»

Bräuche wandeln sich. Zumeist erfolgen solche Veränderungen aber aus dem Innern einer Festgemeinde. Die Zuschauerzahlen an der heutigen Gansabhauet in Sursee zeigen: Das archaische Brauchtum ist beliebt wie eh und je. Und dies, obwohl – oder gerade weil! – es so gar nicht in die heutige Zeit passen will.

Zumindest eine kleine Modernisierung konnten die Tausenden von Zuschauern bei der diesjährigen Ausgabe miterleben. Zum ersten Mal gelang es nämlich einer Frau, die Gans herunterzuholen: Die siegreiche Schlägerin durfte die Gans mit nach Hause nehmen.

Meistgelesene Artikel