Als der Bundesrat Mitte April nichts dazu sagte, wann die Restaurants in der Schweiz wieder öffnen können, platzte Casimir Platzer der Kragen. In einem Zeitungsinterview sprach er von einer Frechheit.
Der Kandersteger Hotelier ist Sonntagsgast im Regionaljournal – ein Gespräch über Streitkultur und die Zukunft der Restaurants in der Schweiz.
SRF News: Sie nannten das Verhalten des Bundesrats eine Frechheit – haben Sie keine Hemmungen auch dem Bundesrat gegenüber?
Casimir Platzer: Wenn man so im Stich gelassen wird, ist es richtig, zu intervenieren. Als der Bundesrat Mitte April über Öffnungsschritte informierte, aber kein Wort sagte zum Gastgewerbe, war das für alle in der Branche eine riesige Enttäuschung. Ja, ich sah das als Frechheit an.
Der Kessel ist geflickt.
Aber jetzt ist der Kessel geflickt und wir sind in regem Kontakt. Der Bundesrat sagte sogar am Tourismusgipfel letzten Sonntag vor der versammelten Tourismusbranche, er habe mit dem Gastgewerbe eine sehr gute Zusammenarbeit.
Sie haben darauf vertraut, dass man in der Schweiz auch Regierungsleuten gegenüber seine Meinung deutlich sagen kann, ohne dass jemand beleidigt ist?
Ich glaube, wir haben in der Schweiz einen guten Umgang miteinander. Man kann problemlos auf den Tisch hauen und harte Diskussionen haben. Danach geht man zusammen in ein Restaurant – falls eines offen ist – und trinkt gemeinsam ein Bier. Das finde ich gut so.
Wo haben Sie das Streiten gelernt?
Ich weiss nicht, ob man das lernen kann. Ich glaube, das ist eine Charaktersache.
Hat Sie da Ihre Kindheit geprägt? Ihre Eltern waren auch Hoteliers, Sie sind in verschiedenen Ländern aufgewachsen.
Ja, vielleicht hat das eine Rolle gespielt. Meine Eltern arbeiteten in Direktionen von verschiedenen Hotels. Ich bin in England auf die Welt gekommen, dann waren wir kurz in Italien, dann ein paar Jahre in Brienz und im Bündnerland. Im Alter von 7 bis 15 Jahren ging ich im Tessin zur Schule, da bekam ich die lateinische Mentalität mit.
Nun sind wir seit 43 Jahren in Kandersteg, der Heimat meiner Mutter.
Das heisst, dass Sie schon als Kind gelernt haben, mit ganz unterschiedlichen Menschen umzugehen?
Ja, das muss man als Gastgeber können. Ein lustiges Beispiel: Beim Tourismusgipfel letzten Sonntag stand ich vor dem Bernerhof, als Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga kam. Sie sagte zu mir, ‹Ah, Sie üben gerade Ihren Beruf aus und heissen mich hier willkommen?›. Es war natürlich Zufall, dass ich gerade dort stand, aber ich sagte, ‹Selbstverständlich, Frau Bundespräsidentin, es freut mich, dass wir Sie hier empfangen dürfen.›
Reden wir noch über die Zukunft der Restaurants. Ab dem 11. Mai dürfen sie wieder öffnen, an einem Tisch dürfen vier Gäste sitzen, zwischen den Tischen müssen zwei Meter Abstand sein (ausser man hat Trennwände dazwischen). In Ihrem Restaurant haben Sie der SRF-Sendung «Schweiz aktuell» gezeigt, dass das auf etwa die Hälfte der Gäste hinausläuft, die sonst möglich wären. Heisst das, mittelfristig gibt es eine Art 1.-Klass-Gastronomie mit mehr Platz und höheren Preisen?
Mehr Platz wird man haben, zwangsläufig. Dass die Preise stark steigen, davon gehe ich in der jetzigen Zeit nicht aus. Vielleicht wird es zwei Services geben am Abend, 18-20 Uhr und 20-22 Uhr zum Beispiel. Unsere Branche braucht jetzt viel unternehmerisches Feingefühl, damit man mit dem Umsatz einen möglichst grossen Teil der Fixkosten decken kann.
Es ist eine schwierige Aufgabe und nicht alle werden sie meistern.
Sie gehen also davon aus, dass nicht alle Restaurants überleben?
Das wird so sein. Manche Restaurants hatten vielleicht schon vor der Coronakrise Probleme. Aber es ist nicht so, dass es jetzt einfach nur diese trifft, sondern auch zum Beispiel Betriebe, die erst gerade viel investiert haben.
Vielleicht müssen dann die falschen Restaurants schliessen.
Man kann also nicht sagen, es sei gut, wenn zehn bis 20 Prozent der Betriebe schliessen. Vielleicht gehen dann die falschen zu. Darum braucht es finanzielle Unterstützung durch den Staat.
Die Coronakrise wird noch länger dauern, es ist eine schwierige Situation auch für Ihre Branche. Trotzdem sehen Sie zufrieden aus. Was gibt Ihnen Energie?
Mir persönlich geht es gut. Ich bin ein Optimist, schlechte Laune kommt bei mir eigentlich nicht vor. So bin ich gestrickt. Das hilft sicher, um die nötige Kraft zu haben und weiterzukämpfen.
Das Gespräch führte Elisa Häni.