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Geburtstag «Mit etwas weniger Gier, aber immer noch mit viel Lust»

Die Basler Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron werden 70 Jahre alt. Im Interview verteidigen sie auch ihre umstrittenen Bauten.

Regionaljournal Basel, Dieter Kohler: Pierre de Meuron und Jacques Herzog. Was bedeutet Ihnen die Lebenszahl 70?

Pierre de Meuron: Ach, das ist eine schwierige Frage. Ich nehme es wie es kommt. Bei jedem Geburtstag überlege ich mir, wer ich bin, wie die Zeit vergeht und wohin die Reise geht.

Jacques Herzog: Natürlich gibt es den Alterungsprozess, aber ich versuche immer noch, Projekte zu entwickeln. Vielleicht mit etwas weniger Gier, aber immer noch mit viel Lust.

Welche Geburtstagsgeschenke machen sie sich gegenseitig.

JH: Ich habe Pierre ein grosses Stück Bündnerfleisch geschickt. Eine Hirschspezialität. Es sieht ein bisschen aus wie ein älterer, geschrumpfter Körper (beide lachen).

PdM: Danke, Pierre, ich werde das Stück zusammen mit einer sehr guten Flasche Wein geniessen. Selber war ich dieses Jahr ein schlechter Kollege. Ich habe Pierre nur eine Glückwunschkarte geschickt. Das hatten wir vor langer Zeit auch mal abgesprochen, dass wir uns nur noch Immaterielles schenken.

Zur Architektur: Das Meret Oppenheim Hochhaus, in welchem sich auch das Studio des Regionaljournals befindet, wird von vielen Leuten als schlechte Architektur abgelehnt. Stört sie diese Kritik?

PdM: Ja und Nein. Wir beabsichtigen immer, schöne und attraktive Gebäude zu bauen. Das Meret Oppenheim Hochhaus fällt durch die beweglichen Sonnenschutzelemente auf, die alle Leute im Haus individuelle steuern können. Somit erhält das Hochhaus ein eigenes Leben. Vielleicht braucht es auch etwas Zeit, bis sich die öffentliche Wahrnehmung etwas setzt. Wir haben das beim Rocheturm auch so erlebt, wo die anfängliche Kritik verstummt ist. Ich glaube, dass das Meret Oppenheim Hochhaus längerfristig ebenfalls positiv aufgenommen wird.

JH: Wir wiederholen selten unsere Gebäude. Jedes sieht neu und andersartig aus. Damit ist auch eine gewisse Provokation verbunden. Das Meret Oppenheim Hochhaus ist ein völlig neuartiges Gebilde, es hat mit den beweglichen Lamellen etwas «maschinelles» und wird fast zu einem «robotic animal». Das entspricht keiner alltäglichen Schönheit und ist dadurch provokativ. Aber das wird sich legen. Das Meret Oppenheim Hochhaus ist ein tolles Gebäude. Ich bin überzeugt, dass es in Zukunft ein wichtiger Teil der Basler Identität sein wird – und besonders der Identität des Gundeldinger Quartiers.

Ist es Ihnen wichtig, Wahrzeichen für Basel zu bauen?

JH: Wir haben schon früher interessante Bauten erstellt, darunter hatte es einige Juwelen, nur waren dies zu Beginn unserer Karriere kleinere Aufträge. Jetzt da man uns Grossaufträge gibt, sind die Gebäude als Hochhäuser auch weitherum sichtbar.

Sie sind auch die Architekten der Halle 1 der Messe Basel, die mit der abgesagten Baselworld jetzt leer steht. War die erst vor sieben Jahren eröffnete Halle 1 eine Fehlplanung?

PdM: Nein. Das Raumprogramm entsprach den damaligen Bedürfnissen der Uhrenbranche. Ich bin überzeugt, dass die Halle 1 eine Zukunft haben wird, vielleicht auch mit Nutzungen, die wir zurzeit noch gar nicht kennen.

Man kann die Halle 1 auch als Mausoleum der Baselworld sehen. Und sie als Architekten eines Mausoleums. Wie sehen sie das?

PdM: Das wäre eine momentane Betrachtung. In zwei Jahren kann die Nutzung dieser Halle 1 wieder ganz anders aussehen.

JH: Für grosse, hohe Räume mit grossen Spannweiten gibt es viele Nutzungs-Möglichkeiten wie Märkte, Kunsträume oder neue Arbeitsformen. Man könnte im oberen Stockwerk auch Tageslicht zuführen. Die Rentabilität ist dann aber natürlich eine andere Frage.

Ihr Büro hat immer auch Stadtentwicklungs-Visionen entwickelt. Wie sehen sie die Zukunft der Stadt in Coronazeiten?

JH: Im Moment beobachten wir widersprüchliche Tendenzen. Viele wollen in der Stadt shoppen, dabei boomt der Onlinehandel. Die Coronakrise zeigt aber den Wunsch und auch die Sehnsucht nach Austausch und direkten persönlichen Treffen. Und es ist nun mal in den Städten, wo Öffentlichkeit gemeinsam erlebt wird und nicht auf dem Land. Irgendeinmal wird der Virus wieder weg sein und dann werden die Städte wieder sehr wichtig sein als öffentlicher Raum.

Wie lange wollen sie noch arbeiten und wie sieht die Zukunft des Büros Herzog und de Meuron aus?

PdM: Schon vor 15 Jahren haben Pierre und ich entschieden, das Büro in jüngere Hände zu übergeben. Es ist ein Management Buy Out, damit wir älter werden können in einem Büro, das weiter jung bleibt.

Architektenteam

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Pierre de Meuron und Jacques Herzog (beide Jahrgang 1950) kennen sich seit Kindheit. Nach ihrem Architekturstudium an der ETH Zürich gründeten sie 1978 in Basel ein Architekturbüro, welches unter dem Namen Herzog und de Meuron (HdM) weltweite Bekanntheit erlangte. Mittlerweile haben HdM neben dem Basler Hauptsitz auch Büros in London, Hamburg, Madrid, New York und Hongkong und beschäftigen weltweit gegen 500 Menschen.

Basel kehrten die weltweit anerkannten und mit mehreren internationalen Auszeichnungen verwöhnten Architekten nie den Rücken. Sie bauten neben der neuen Messehalle (Fertigstellung 2013) unter anderem den Roche-Turm (2015), das Naturbad Riehen (2014), das Meret-Oppenheim-Hochhaus (2019), den St. Jakob-Turm (2008), das Rehab Basel (2002) und das Schaulager in Münchenstein (2003). International machten sie unter anderem als Architekten der Elbphilharmonie in Hamburg (2017) von sich reden, die sehr lange nicht fertig gestellt wurde, oder mit dem futuristisch anmutenden Olympiastadion Bird's Nest in Peking (2007, Film darüber «Bird’s Nest). HdM bauten auch das Miami Art Museum (2010), das Vitra Design Museum in Weil (2009), die Erweiterung der Tate Gallery of modern Art in London (1999) und das Parrish Art Museum in New York.

(Unvollständige Aufzählung)

SRF 1, Regionaljournal Basel, 17:30 Uhr ; 

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