«Mir nämeds uf öis» so heisst das neue Stück von Christoph Marthaler. Sie, die es auf sich nehmen, das sind Gauner und Abzockerinnen, Männer und Frauen, die «Dreck am Stecken» haben. Sie nehmen ihre Schulden auf sich, aber nur um sie in einem fiktiven Staat wieder abzuladen. Nun sind sie unterwegs in einem Raumschiff und singen Udo Jürgens und Richard Wagner, zum Seufzen schön!
Work in progress
Christoph Marthaler hat auch dieses Stück zusammen mit seiner Theaterfamilie entwickelt, und man weiss nie so recht, ob das alles nun eine tiefere Bedeutung hat, oder ob jemand einfach Lust hatte, einen Popsong zu trällern oder eine Bachkantate zu singen. Singen tun alle sehr schön und begleitet werden sie von zwei ausgesprochen virtuosen Pianisten. Bendix Dethleffsen und Stefen Wirth werden je nach Bedarf samt Instrument aus dem Orchestergraben hochgefahren und wieder versenkt. Und egal ob sie ein Vivaldi Potpourri klimpern oder Tschaikowskis Klavierkonzert spielen, sie machen es brillant!
Wiedersehen mit der Marthalerfamile
Ein heimtückisches Virus habe die Probenarbeit schwer behindert, sagte Christoph Marthaler vor der Premiere und forderte das Premierenpublikum gleich zum mithusten auf. Nie habe das ganze Ensemble zusammen proben können und der Publikumsliebling Siggi Schwientek musste gar die Premiere absagen. Aber sonst war sie fast versammelt da, die Marthalerfamilie. Nikola Weisse im Deux-Pièce und mit biederer Dauerwelle oder Ueli Jäggi im zu grossen Anzug und mit einem absolut stilechten Udo Jürgens Song.
Triumph für einen Vertriebenen
Nur gerade vier Jahre lang war Christoph Marthaler Theaterdirektor in seiner Heimatstadt Zürich. Und es war eine turbulente Zeit. International wurde Marthaler bejubelt und das Schauspielhaus in den Jahren 2001 und 2002 zum «Theater des Jahres» gekürt. Aber in Zürich wurde die Kritik an seinem Theaterstil immer lauter und das Haus immer leerer. Marthaler bekam 2002 die vorzeitige Kündigung.
Nach grossen Protesten musste der Verwaltungsrat diese wieder rückgängig machen, aber ein Jahr später zog sich Christoph Marthaler zurück, mit der Begründung, die Belastung sei untragbar geworden.
Ein Happy-End wie im Theater
2017, nach 13 Jahren, verleiht die Stadt Zürich dem Theaterregisseur den mit 50'000 Franken dotierten Kunstpreis. Christoph Marthaler kehrt zum ersten Mal als Regisseur zurück ans Zürcher Schauspielhaus und wird bejubelt. Ein einsamer Buh-Rufer war zu hören an der Premiere, aber der Chor der Bravostimmen war lauter, sehr viel lauter!
(kerf, Regionaljournal Zürich Schaffhausen, 17:30 Uhr)